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Nikolaus [Hrsg.]; Hoffmann, Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0051
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Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctiiicatus“.

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Das Verhältnis von Gott und Welt stellt sich hei Cusanus mit
Verwendung verschiedener Terminologien so dar: Gott ist die
Einsheit, aber nicht in numerischem Sinne, sondern als unteilbare
Idee; die Welt hingegen ist ,,das Eine“, nämlich das Eine in der Viel-
heit, d. h. das Universum. Oder Gott ist die schlechthinige Ewig-
keit ohne Zeitfolge; die Welt hingegen ist der Inbegriff der meß-
baren Abläufe. Oder Gott ist das Absolute, in welchem Maximum
und Minimum, Sein und Nichtsein, Kreis und Gerade zusammen-
fallen; die Welt aber ist das konkrete Maximum als Totalität aller
individuellen Existenz. Gott ist das Unendliche, das aller Bestimm-
barkeit entzogen ist; aber gerade als Unendliches ist er das Maß
selber, an welchem allein das Endliche gemessen werden kann, er
ist die Norm, welche das ohne ihn Bestimmungslose der Termi-
nierung und Definierung zuführt.
Dies Verhältnis von Gott und Welt ruht — rein logisch be-
trachtet — auf derselben Voraussetzung wie das von Gott-Vater
und Gott-Sohn. Aber die Welt ist das Maximum des konkreten
Seins überhaupt, Jesus ist das Maximum des Menschseins. Daher
kann das Universum nur Eines sein, denn das Höchstmaß des kon-
kreten Seins kann nur einmal erfüllt werden; und Jesus kann
ebenfalls nur Einer sein, denn das Gipfeltum von Menschsein kann
nur in einem einzigen Erdenwallen erreicht werden. So handelt die
Theologie von der „Einsheit“; die Kosmologie und die Christologie
handeln von je einem maximalen „Einen“. Die Entität Gottes, die
Universalität des Universums und die Humanität1 Jesu bilden die
Gegenstände des triadischen Systems.
Die Christologie nun wird in der Predigt mit der Logoslehre
des Johannesevangeliums verbunden2. Der Logos als Wort ist
prototypisch für die ewige Zeugung. Der Nachweis liegt in folgen-
dem: Beruht die ewige Geburt darin, daß dem Absolut-Einen ein
Gleiches ersteht, daß also identische Seinsheit mit Andersheit in
Relation tritt, so kann es für Gott nichts „anderes“ geben, was in
höherem Maße ihm selber gleich wäre als sein „Wort“. Denn im

1 Inwiefern auf dieser „Humanität“ Jesu eine Art von christlichem
„Humanismus“ beruht, der in Deutschland fortwirkte und sich in Kontrast
zum Humanismus der romanischen Länder wußte, wird an anderer Stelle
gezeigt werden. Es macht einen Unterschied, ob das Urmenschliche in Chri-
stus als dem konkreten Ideal gesucht wird oder in Proteus (wie bei Pico).
2 Über den Anfang des Evangeliums vgl. E. Norden, Logos und Rhyth-
mus. Rektoratsrede Berlin 1928.

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