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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0012
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Ernst Hoffmann.

Erst mußte der Gegensatz zwischen Idee und Erscheinung, zwischen
dem Absoluten und dem durchgängig Relativen, zwischen Unend-
lichem und Endlichem wieder radikal gesetzt werden, damit
alles Erscheinende auf Einen Generalnenner gebracht, alles End-
liche auf Eine Gleichartigkeit reduziert werden konnte. Erst mußte
durch die neue Logik ein Jegliches seine fingierte Fixation im
Stufenkosmos der Sphären verloren haben, damit es für eine neue
Physik frei werden konnte. Jetzt ist das Einzelne — je nach seiner
Natur — dem Absoluten nicht mehr um so näher oder ferner, je
höher oder tiefer es in der Hierarchie lokalisiert ist, sondern jetzt
herrscht Platons Begriff der 'Teilhabe’ der Erscheinung an der
Idee. Alles Erscheinende ist endlich und unvollkommen und relativ
und hat nur als jasts^ov am ideell Vollkommenen teil; aber die
Holzkugel, die der Drechsler fabriziert, nicht grundsätzlich weniger
als die Kugelform des Firmaments. Für den Grad der Teilhabe
an der Idee gibt keine Stufung der Welt mehr irgendein Kriterium.
Alles Einzelne, Individuelle hat ein gleiches unmittelbares Ver-
hältnis zum Absoluten und kann nur in sich selber diese Teilhabe
als singuläre Aufgabe fassen und in relativer Weise diese Aufgabe
lösen. Aber die Vorstellung ist falsch, daß die Möglichkeits-Stufen
dieser Methexis in irgendwelcher Folge stetig zum Absoluten selber
führen. Die Erscheinung ist "Signum’ (vgl. Platons or^zlov) für
die Idee: das Zeichen kann besser oder schlechter sein. Aber das
Zeichen bleibt stets Vertreter, Repräsentant. Die Grundtatsache
der neuen Logik ist die Kluft zwischen den 'signa sensibilia’ und
der absoluten Idee, die sie vertreten.
Das Resultat des ersten Lehrstückes also ist im Hinblick auf
den Begriff des Universums dieses: Das Endliche kann endlich,
es kann in seiner Beschränkung und Eingrenzung nur gedacht
werden (d. li. bestimmt und in seiner Relativität durch Relation
fixiert werden) durch Bezug, durch Partizipation an dem Begriff
des Absoluten. Und das gilt theoretisch wie praktisch:
Theoretisch: Ich kann und ich muß alle Kreise, die es gibt,
auf Einen absoluten vollkommenen Kreis beziehen. Aber es nützt
nichts, diesen vollkommenen Kreis im Raume zu suchen, er kann
nicht im Raume existieren; sinnlich Relatives und übersinnlich Ab-
solutes sind zwei verschiedene Sphären, der Fixsternhimmel bietet
keine bessere Chance als die Erdkugel, 'Kreis’ zu sein. Es gibt
keine Physik der Wertstufen. Alles Physikalische ist Erscheinung.
Und alle Erscheinungen sind untereinander individuell verschieden
 
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