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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0013
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Cusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

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('concorclant pariter et differunt omnia’); denn waren sie es nicht,
so müßten sie am Absoluten in 'präzis gleicher Weise’ partizi-
pieren. Dies ist dem Begriffe nach ausgeschlossen. Cusanus folgert
aus der Methexis-Lehre unmittelbar das Principium identitatis in-
discernibilium: Zwei gleiche Dinge in der Welt annehmen hieße, das
Absolute (die Gleichheit) an der Stätte der Relativität auf suchen.
Und ebenso praktisch: Die Bedingung und Möglichkeit der
Teilhabe an sittlichen Ideen ist überall die gleiche. Zwischen dem
vollkommenen Wesen und den irrenden Menschen ist nur das Eine
unmittelbare Verhältnis der Teilhabe. Diese Teilhabe — im sitt-
lichen Sinne — besteht als Aufgabe; aber der Charakter dieser
Aufgabe wird verkannt, wenn man glaubt, der Abstand lasse sich
für höhere Glieder einer Hierarchie systematisch verringern. Wieder-
um gilt: Finiti et infiniti nulla proportio. Alles Endliche steht zum
Unendlichen unmittelbar. Aber wie das Lehrstück theoretisch nicht
zur Skepsis führt, sondern wie der methodisch vom Absoluten
genommene Abstand die relative Erkenntnis vielmehr als solche
festigt und rechtfertigt, so führt der praktische Betracht des Lehr-
stücks keineswegs zu Quietismus oder Pessimismus, sondern Cu-
sanus folgert in seinen Predigten das Gegenteil: Weil sittlich die
Teilhabe immer Aufgabe ist, so liegt in ihr das Motiv der Freiheit
und Arbeit; und weil die arbeitende Erkenntnis Richtung erhält
durch den Hinblick auf das Absolute, den alleinigen Maßstab für
alles Relative, so liegt in der Arbeit das Motiv der Freude1. Hier
ist die Beziehung des Nikolaus zum Humanismus von Deventer
deutlich. Der Kampf der Brüder vom gemeinsamen Leben gegen
den Typus des Bettelmönchs und ihr Versuch, das Klosterleben
statt auf die fesselnde Regula auf die Freiheit und Selbstverant-
wortung des Einzelnen zu gründen, erhält bei Nikolaus seine philo-
sophische Rechtfertigung.
Das erste Lehrstück also besagt: hier komparative Sphäre
eines in sich immer gegensätzlichen Seins, dort Superlative Sphäre
des Absoluten, welche keine Gegensätzlichkeit kennt. Zwischen
beiden hat das Denken nur etwas Negatives zum Gegenstand: das
Fehlen jeder proportionalen Bindung.
1 Ut nihil sit in universo, quocl non gaudeat quadam singularitate. D. ign.
III, 1. In Predigten bekommt der Gedanke gelegentlich auch folgende Fas-
sung: Erkenntnis ist Arbeit und Arbeit macht Freude, denn, die Erkenntnis
ist der Rückgang des Endlichen zum Unendlichen, wobei sich die Erkenntnis
mit Liebe zur Schönheit füllt (vgl. Exc. VIII: Ex sermone Pax Dei).
 
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