Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0021
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Cusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

21

Außer dieser Begriffsbestimmung des Universums wollen wir
festhalten auch den methodischen Weg, auf dem Cusanus zu ihr
gelangt ist. Er philosophiert immer als Christ, die geoffenbarten
Wahrheiten und die Wirklichkeit der Heilstatsachen tönen überall
bei ihm mit. Aber ein anderes ist Seele, ein anderes Geist. Über
die Seele spekuliert er christlich, über den Geist hellenisch. Die
Seele weist ihn auf den Schöpfergott, der Geist auf das Absolute.
Philosophisch spielt ihm die Religion eine Rolle, in welcher zwar
Fragen gestellt und Antworten bestätigt werden, aber der Philo-
sophie das ganze Feld überlassen wird, auf dem durch Analysis der
rationalen Sphäre die Begriffsmittel geschaffen werden, um das
Überrationale sichtbar, das Unterrationale deutbar zu machen.
Daher seine Vorliebe für mathematische Beispiele. Sie beruht
darauf, daß die mathematische Mens ihre Orientierung nicht von
den sinnlichen Objekten her, sondern aus den Vernunftbegriffen
als den 'Zeichen ihres eigenen Wesens’ gewinnt. Aus der Ver-
gleichung des mathematischen Begriffs der 'präzisen Gleichheit’
mit der im stofflichen Sein niemals vorhandenen, immer nur 'ein
Überschreitendes und Überschrittenes’ belassenden empirischen
Gleichheit gewinnt das Denken des Cusanus seinen methodischen
Ausgangspunkt: 'Mens ipsa figuras in se intuetur a materiali
alteritate absolutas’. Der Mensch ist das Maß aller Dinge (De her.
5), aber nicht im protagoreischen, sondern in demjenigen Sinne,
daß er sie mißt, wobei der Maßstab die Wahrheit ist, d. h. nach
Cusanus die absolute Notwendigkeit, die weder mehr noch weniger
sein kann als sie ist.
In Ergänzung des zweiten Lehrstücks sei noch ein Weniges
hinzugefügt über den Begriff der Contractio:
Das 'Alles’ ist für Cusanus ein grundsätzlich anderer Begriff
als das 'Vieles’. Das 'Alles’ geht dem einzelnen voran (prae-
ceclit), das 'Vieles’ nicht. Geht aber das Alles dem Einzelnen
voran, so ist in jedem Einzelnen das Alles in 'eingeschränkter
Weise’ (contracte). Wie der ganze Organismus in Hand oder Auge
wirkt oder ist, so das Universum, in jedem seiner Teile, aber 'con-
tracte’, so daß der Organismus im Auge Auge, in der Hand Hand ist.
So ist das Universum in Jeglichem verschieden, und Jegliches ist
in verschiedener Weise das kontrakt gewordene Universum. Der
Begriff des Universums wird erst dadurch endgültig konstituiert,
daß Jegliches in Jeglichem ist, andernfalls ergäbe sich nur ein bloßes
Nebeneinander. Hier beruft sich Cusanus auf Anaxagoras, den er
'fortassis altius’ verstehen will, als er selber es vermocht hatte
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften