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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0022
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Ernst Hoffmann.

(D. ign. II, 5). So kommen im Universum zusammen einerseits
die Begriffe Vielheit und Einheit: ' Rerurn unitas sive Universum
est in plur.alit.ate, et e converso pluralitas in unit.ate5; diese Begriffs-
bestimmung wird ermöglicht durch die Lehre von der Explicatio.
Andererseits kommen im Universum zusammen die Begriffe Alles
und Einzelnes: 'Quodlibet recipit omnia5; dies wird ermöglicht durch
die Lehre von der Contractio. Zusammengefaßt: 'Universum est
unum, cuius unitas contracta est per pluralitatem’. Die Explicatio
aber geht so vor sich, daß die Einheit des Universums dasjenige
Medium ist, durch welches die absolute Einheit (Gottes) zur Ent-
faltung kommt in die Bereiche der Präclikamente, Gattungen und
Arten, der Dinge, Partikularitäten und Individua. Gottes einzige
Explicatio, das Universum, ist das Erste Kontrakte. 'Und weil
es kontrakt ist, expliziertes sich weiter in Ideen, Genera, Species’,
bis die Existenzformen in den Individuen konkret werden. Wie
Punkt, Linie, Fläche dem Körper in der 'Ordnung5 vorangehen,
aber in ihm erst aktuell werden, so wird auch das Universum erst
konkret in der individuellen Wirklichkeit des 'actu ipsum esse5 (D.
ign. II, 6).
Aus diesem Begriff der 'Kontraktion5 ergibt sich nun für Cu-
sanus auch der der 'Abstraktion5. Betrachtet man die beiden
Begriffspaare Complicatio-explicatio und Contractio-abstractio,
so ist nicht etwa das erste ontologisch, das zweite logisch zu ver-
stehen; sondern durch das erste soll das Problem Einheit-Vielheit
begriffen werden, durch das zweite das Problem Besonderes-
Allgemeines. Beide Begriffspaare müssen kombiniert werden; dann
steht zwischen dem Einen Absoluten und dem Einzelnen Indivi-
duellen das Universum als Medium: es ist das Eine für die Vielheit,
das Allgemeine für die Besonderheit. Abstraktion aber ist das
logische Verfahren, den Weg der Kontraktion rückwärts zu gehen,
um die Erscheinung aus ihrem Grunde zu begreifen.
Hieraus wird die Stellung der Cusanischen Philosophie zum
Universalienproblem1 deu tlich : Die Universalia sind weder konkret
wie die Dinge noch absolut wie Gott, sondern sie sind 'abstrakt'
in dem genau bestimmten Sinne, daß sie zum Universum als solchem
gehören. Universum und Universalia gehören zusammen. Univer-
salia wie Gleichheit und Ähnlichkeit, Haben und Sein, Ruhe und
1 D. ign. II, 5 und II, 6 interpretiert zutreffend M. G. Settignani L’ele-
mento matematico applicato allo studio delk infinito nel De docta ignorantia
(Riv. di Filosofia neo-scolastica, 1922, p. 231).
 
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