Cusanus-Stndien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.
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Bewegung, werden nicht etwa nur durch abstrahierende Begriffs-
bildung künstlich gesetzt, sondern sie 'sind’. Nur sofern sie als
Avirkliche Ordnungen im Universum ein unsinnliches Sein haben,
können sie uns als Erkenntnisgründe dienen. Dies Sein der Uni-
versalia ist nun von ganz bestimmter Modalität, die es uns gestattet,
an dieser Stelle das Verhältnis des Cusanus zu Platon eindeutig zu
fassen. Cusanus verwendet die Platonischen Ideen in zwei ver-
schiedenartigen Weisen: Erstens übernimmt er von ihnen die ouata,
ihren Maßstabcharakter und ihre Transzendenz; dies alles bildet
er um zu seinem Begriff des Absoluten. Dabei verliert die Plato-
nische Ideenwelt ihre gegliederte Vielheit und Bestimmtheit, sie
wird zu dem Einen einzigen, in sich beschlossenen, absoluten Welt-
sinn. Zweitens aber verwendet er die Ideen als Universalia, als
konstitutive Seins- und Erkenntnisprinzipien im Universum; hier
behalten sie ihre Vielheit und Bestimmtheit, ihren kategorialen
Charakter und ihre dem Satz vom Widerspruch gemäße Struktur,
so daß Ruhe nicht Bewegung, Leiden nicht Tun ist, während diese
Gegensätze doch im Absoluten koinzidieren. Cusanus zerschneidet
also gleichsam die ideale Sphäre Platons in ein absolutes und ein
universales Sein; die Ideen Averden ihm einerseits zu Gott als der
Einen einzigen Idee und andererseits zur Reihe der universalen
Kategorien für Sein und Erkenntnis der Welt. So erklärt sich sein
scheinbares Schwanken zwischen Platon und Aristoteles. Sofern
die Ideen Universalien sind, ist er Aristoteliker und lehrt ihre Welt-
immanenz; sofern sie aber in ihrer Einheitlichkeit den Begriff des
Absoluten vertreten, ist er Platoniker und macht die. Idee zum
transzendenten Maßstab für das Relative. Weit in die Ferne ge-
rückt aber ist der für die bisherigen christlichen 'Platoniker’ maß-
gebende Standpunkt Plotins mit seiner Scheidung der Kategorien
in solche der sensiblen und der intelligiblen Welt. Der Schnitt muß
anders gelegt werden, nur zwischen Gott und Welt; so wird die
Welt zu demjenigen einheitlich Ganzen, das der relationalen Er-
kenntnis durch Wissenschaft zugänglich wird.
Wenn wir nun drittens uns einem Lehrstück zuwenden, welches
nach dem Begriff der Coincidentia und der Complicatio den Begriff
der Concordantia zum Gegenstand hat, so haben wir hier zweierlei
zu unterscheiden.
Das Concordantia-Motiv wirkt sich aus in zwei Richtungen: im
Christusgedanken und im Kirchengedanken. In beiden Hinsichten
wird ein Gebiet betreten, auf dem nach Cusanus volle Einsicht nicht
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Bewegung, werden nicht etwa nur durch abstrahierende Begriffs-
bildung künstlich gesetzt, sondern sie 'sind’. Nur sofern sie als
Avirkliche Ordnungen im Universum ein unsinnliches Sein haben,
können sie uns als Erkenntnisgründe dienen. Dies Sein der Uni-
versalia ist nun von ganz bestimmter Modalität, die es uns gestattet,
an dieser Stelle das Verhältnis des Cusanus zu Platon eindeutig zu
fassen. Cusanus verwendet die Platonischen Ideen in zwei ver-
schiedenartigen Weisen: Erstens übernimmt er von ihnen die ouata,
ihren Maßstabcharakter und ihre Transzendenz; dies alles bildet
er um zu seinem Begriff des Absoluten. Dabei verliert die Plato-
nische Ideenwelt ihre gegliederte Vielheit und Bestimmtheit, sie
wird zu dem Einen einzigen, in sich beschlossenen, absoluten Welt-
sinn. Zweitens aber verwendet er die Ideen als Universalia, als
konstitutive Seins- und Erkenntnisprinzipien im Universum; hier
behalten sie ihre Vielheit und Bestimmtheit, ihren kategorialen
Charakter und ihre dem Satz vom Widerspruch gemäße Struktur,
so daß Ruhe nicht Bewegung, Leiden nicht Tun ist, während diese
Gegensätze doch im Absoluten koinzidieren. Cusanus zerschneidet
also gleichsam die ideale Sphäre Platons in ein absolutes und ein
universales Sein; die Ideen Averden ihm einerseits zu Gott als der
Einen einzigen Idee und andererseits zur Reihe der universalen
Kategorien für Sein und Erkenntnis der Welt. So erklärt sich sein
scheinbares Schwanken zwischen Platon und Aristoteles. Sofern
die Ideen Universalien sind, ist er Aristoteliker und lehrt ihre Welt-
immanenz; sofern sie aber in ihrer Einheitlichkeit den Begriff des
Absoluten vertreten, ist er Platoniker und macht die. Idee zum
transzendenten Maßstab für das Relative. Weit in die Ferne ge-
rückt aber ist der für die bisherigen christlichen 'Platoniker’ maß-
gebende Standpunkt Plotins mit seiner Scheidung der Kategorien
in solche der sensiblen und der intelligiblen Welt. Der Schnitt muß
anders gelegt werden, nur zwischen Gott und Welt; so wird die
Welt zu demjenigen einheitlich Ganzen, das der relationalen Er-
kenntnis durch Wissenschaft zugänglich wird.
Wenn wir nun drittens uns einem Lehrstück zuwenden, welches
nach dem Begriff der Coincidentia und der Complicatio den Begriff
der Concordantia zum Gegenstand hat, so haben wir hier zweierlei
zu unterscheiden.
Das Concordantia-Motiv wirkt sich aus in zwei Richtungen: im
Christusgedanken und im Kirchengedanken. In beiden Hinsichten
wird ein Gebiet betreten, auf dem nach Cusanus volle Einsicht nicht