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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0025
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Cusanus-Studien: I. Das Universum des Nikolaus von Cues.

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welchem alles Viele gipfelt. Also Universum und Humanitas ge-
hören zusammen und fordern einander. Das Universum als Sinn-
träger der Konkretion verlangt eine Stufe der Sinnerfüllung; die
Humanitas als Maximum der Schöpfung verlangt eine Sphäre der
Ganzheit, innerhalb deren sie der Höhepunkt ist. So stehen Uni-
versum und Humanitas zu einander wie Größtes und Höchstes, wie
Umfassendstes und Erhabenstes. Beide sind Maximalbegriffe, und
daher Medialhegriffe zwischen der absoluten Einheit und der
grenzenlosen Vielheit.
Daher liegt es im Begriffe selbst, daß das Universum bereits
von sich aus individuell ist, die Humanitas aber nicht. Das Uni-
versum ist diejenige einzige Individualität, die zugleich Eines und
Vieles, Jegliches und Ganzes ist; die Humanitas aber bedarf einer
Person, um individuell sich zu manifestieren. Der Ganzheitsbegriff
des Universums trägt seine Erfüllung in sich selber, der Gipfel-
begriff der Humanitas aber findet seine Erfüllung nur in einer zeit-
lich fixierbaren und personell unveräußerbaren Leistung. Ihr wird
allein durch den Christusbegriff genügt. Das Universum war das
Medium, durch welches allein Jegliches als Kreatur in Gott sein
kann; Christus ist das Medium, durch welches allein Gott für Jeg-
liches das Endziel sein kann. Vorbehalten, in welcher Weise Christus
diese Leistung vollbringt, jedenfalls fordert das Universum den
Humanitätsbegriff als Kulmination, und der Humanitätsbegriff
fordert einen Christus als Manifestation.
So verstanden kommt der Christusgedanke in systematische
Beziehung zur Coincidentia oppositorum (D.ign. III, 6): Wenn sich
in Christus tiefste Erniedrigung und größte Erhöhung vereinigen,,
so ist damit Wirklichkeit geworden, was dem Begriffe nach von
der Humanitas verlangt werden muß. Ja Cusanus gibt dem
Christusgedanken in radikaler Konsequenz seiner systematischen
Motive geradezu die Fassung, daß Christus in der Wirklichkeit der
Welt demjenigen Begriffe entspricht, den in der Welt der rationalen
Abstraktionen die Erkenntnis fordern muß, wenn sie den Transitus-
der Visio intellectualis vollziehen will: Wenn Gott der Kreis ist,
und wenn das Universum die Allheit aller einzelnen Polygone ist,
so ist Christus jenes größte Polygon, in welchem allein der Trans-
itus zwischen Polygon und Kreis gedacht werden kann (D. ign. III,
4). Der Gottmensch ist so sehr Ausdruck eines ewigen Prozesses,
wie jene maximale Figur Ausdruck einer absoluten Beziehung.
In ebenso enger Beziehung wie zu der Coincidentia oppositorum
 
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