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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 3. Abhandlung): Das Universum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.39956#0034
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Ernst Hoffmann.

selber auf Erden zu schaffen berufen sind, die gesittete Gemeinschaftr
soll so sein, daß sie gleichfalls sichtbares Symbol der Methexis ist: sie
soll, als eine Himmelsordnung im Kleinen und als eine Seele im Gros-
sen, ein Gebilde werden, das weit über die Eintägigkeit des Irdischen
erhaben ein Metaxy zwischen Dingwelt und Ideenwelt darstellt.
Mit Einem Wort: Platon hat statt der unendlich vielen
Zwischenstufen immer prinzipiell ein einziges Symbol für den
einen Methexis-Gedanken, mag er Eros oder Psyche, mag er
Methodos oder Staat oder Weltseele heißen. Wie mit dem Chorismos-
die Methexis, so ist mit der Methexis das Eine Metaxy gegeben.
Dies Metaxy aber heißt Christus, sagt Cusanus. Christus allein
ist die echte 'Natura media’.
Von der Seite der Menschen gesehen ist Christus die Vertretung"
der ganzen Menschheit, der Inbegriff allen wahren Menschentums,
Gipfel der Menschlichkeit und das Höchste im Universum, was es-
gibt. Von der Seite des Absoluten gesehen aber ist Christus das.
Geringste von Gottes Selbst. Er ist die 'Humanitas5: Das Höchste,
was von Gott ist; aber schon 'von5 Gott, nicht mehr Gottheit. So
ist er Ausdruck für die 'Copula’ des All; er ist die Klammer der
Welt. In seiner einzigartigen und notwendig einzigartigen Wesen-
heit koinzidieren Endliches und Unendliches personell. Obwohl er
Mensch war, vertrat er das Ganze der Menschheit, war er also
nicht nur individuell, sondern universell. Obwohl er göttlich ist,
blieb er nicht Idee, sondern wurde geboren. Das Christusbild des
Cusanus zeigt, rein begrifflich betrachtet, die Züge des Platonischen
Metaxy, vor allem beruht es spekulativ auf dem gleichen Grund-
gedanken. Er lautet:
Die Andersheit der beiden Welten ist grundsätzlich und radikal.
Von der Natur einer individuellen Sonderexistenz, eines empiri-
schen Menschen aus ist die Kluft weder auszufüllen noch zu über-
brücken noch zu überspringen. Aber Platon, der Grieche, sagt:
Natur ist mehr als Summe von lauter natürlichen Sonder-
existenzen. Natur ist Inbegriff und Totalität eines 'Werdens zum
Sein’ hin, ylyvsGÜm sie, ouatav, und für diesen Inbegriff ist Eros
das Symbol. Der Gehalt der gesamten Natur zeigt — wenn wir
von allen zufälligen Differenzen im Einzelnen absehen — diese Sig-
natur, dieses Kennzeichen: Hin zur Form, zum Eidos, zum Sein,
also 6psi;(.<ü Was beim einzelnen Naturwesen nur ein Teil seiner
Existenz ist, neben dem es andere hat, das erscheint beim Inbegriff
der Natur als dessen eigentlicher alles umfassender Charakter: Eros.
 
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