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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0065
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II. Der Aussagesatz und die logische Synthese des Einen u. des Andern. 57
studieren können, so ist sofort ein wichtiger Zusammenhang von
Erkenntnis-Wahrheit und Aussagesatz klar.
Von dem erkennenden Ich-Subjekt sehen wir dabei nach wie vor
ab. Das können wir ohne Bedenken, denn es spielt nur insofern eine
Rolle, als es eine Wahrheit „meint“ oder,,versteht“, d.h.,, denkt“, und
diese seelischen Akte, wie sie sich hei den verschiedenen Individuen
finden, sind für die erkannte Wahrheit selbst zwar unentbehrlich,
aber in ihrer seelischen Struktur für deren logische Struktur nicht
maßgebend. Wir denken also auch jetzt nur an die erkannte Wahr-
heit, die im Sinngebilde eines Satzes vorliegt. Aber wir halten
zugleich daran fest, daß diese Wahrheit stets Wahrheit von etwas
oder über etwas sein muß, das mehr als bloß ,,gedacht“ ist, und
dann stehen wir vor der für uns wichtigsten Frage: wie läßt eine
solche Wahrheit über etwas sich so zum sprachlichen Ausdruck
bringen, daß verständlich wird, inwiefern hier etwas nicht nur ge-
dacht, sondern erkannt wird, also Wahrheit über einen „Gegen-
stand“ vorliegt, der etwas anderes ist als die Wahrheit über ihn.
Die Antwort darauf liegt nahe. Brauchen wir dazu nicht not-
wendig einen Satz, der von einem etwas ein anderes etwas aus-
sagt, d. h. nicht die Gestalt ,,a ist a“, sondern die Gestalt ,,a ist b“
hat, ja sind solche Sätze nicht die einzig geeignete sprachliche
Formulierung für Wahrheiten über etwas als Gegenstand?
Es ist nur notwendig, daß wir diese Frage verstanden haben,
um einzusehen, weshalb sich hier ein mehr als zufälliger Zusammen-
hang zwischen der logischen Struktur jeder wahren Erkenntnis
und der grammatischen Struktur jedes Satzes kundtut, der eine
Erkenntnis zum sprachlichen Ausdruck bringt, und auf Grund des
so zutage getretenen Zusammenhanges der sprachlichen und der
logischen Sphäre, wie ihrer beiden Gliederungen, werden wir nicht
mehr daran zweifeln, daß für die grammatische Struktur der Sätze
neben andern, alogischen auch logische Gründe zu finden sein
müssen. Schon das aber ist für unser Problem von prinzipieller
Wichtigkeit.
Ja noch mehr: wir können jetzt die Begriffe der Grammatik,
wenigstens in einer Hinsicht, zugleich in das Gebiet des Logischen
übertragen. Den Gegenstand oder das Objekt, von dem oder
über das die erkannte Wahrheit gilt, nennen wir, sobald er in einem
Satze durch ein Wort bezeichnet ist, mit einem, wie gesagt, aller-
dings sehr mißverständlichen, aber leider allgemein akzeptierten
und insofern unentbehrlich gewordenem Terminus das gram-
 
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