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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0111
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IV. Subjekt und Prädikat.

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wahren Sinnes überhaupt aufsteigen können, in jeder Hinsicht ein-
ander logisch koordinieren und dann in beiden für das Sub-
jekt den Begriff „Inhalt“ und für das Prädikat den Begriff „Form“
einsetzen.
Jetzt können wir endlich noch einen Schritt weitergehen. Es
lassen sich nicht nur Subjekt und Inhalt einerseits und Prädikat
und Form andererseits in der angegebenen Weise miteinander ver-
knüpfen, sondern es hängt mit diesen beiden Begriffspaaren noch
ein drittes Paar zusammen, das wir bereits erwähnten, und dieser
Umstand wird vollends klar machen, warum es wichtig ist, den
Inhaltscharakter des einfachsten Subjekts und den Formcharakter
des einfachsten Prädikats in der Logik des Satzes oder des wahren
Satzsinnes zu betonen.
Das einfachste inhaltlich bestimmte Subjekt kann als der noch
prädikatsfreie und insofern formlose Bestandteil des einfachsten
Sinngebildes nicht durch „denken“ erfaßt, sondern nur dadurch
zugänglich werden, daß er unmittelbar „gegeben“ ist und so
„erlebt“ wird. Sonst bleibt er ein „leeres“ Etwas. Das bloß
„gedachte“ ist immer leer. Um mehr als das zu sein, muß es, wie
aller unmittelbar gegebene Inhalt unserer Erlebnisse, einen an-
schaulichen Charakter tragen. Was das bedeutet, bedarf wohl
keiner näheren Erörterung. Wir alle kennen solche, noch mit
keinem Prädikat versehenen anschaulichen Inhalte, z. B. aus jeder
beliebigen sinnlichen Wahrnehmung. Denken wir, um wieder das-
selbe Beispiel wie vorher zu benutzen, an eine grüne oder braune
oder rote Farbe. Damit wir wissen, was diese Worte bedeuten, muß
uns das „grün“ oder „braun“ oder „rot“ unmittelbar anschaulich
gegeben sein. Das bloße „Denken“ in „Begriffen“ versagt hier völlig.
Das ist die eine, unbezweifelbare Seite der Sache.
Ebenso sicher aber bleibt andererseits, daß solche anschau-
lichen Inhalte, die wir nur in der Weise kennen wie die Farben,
die wir sehen, noch nicht erkannt sind, d. h. für sich allein noch
nicht genügen, um einen wahren oder auch nur falschen Sinn über
sie zu geben. Ja, die bloß inhaltlichen Bedeutungen der Worte grün,
braun oder rot, die zwar zu Bestandteilen eines geltenden und
wahren Sinngebildes werden können, liegen, solange kein Prä-
dikat zu ihnen hinzugetreten ist, noch ganz außerhalb der theo-
retischen Sphäre der Wahrheit. Das sollte man ebenfalls nicht be-
zweifeln. Wir können Farben in voller Anschaulichkeit bis in alle
Einzelheiten hinein inhaltlich wahrnehmen und insofern „kennen“,
 
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