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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0126
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Erster logischer Teil.

daß es seine Form, die es in die logische Sphäre bringt, ausschließ-
lich von dem Erkenntnisprädikat „wirklich“ erhält ? Anders aus-
gedrückt: haben wir hier nicht als Subjekt (Ö7roxelp,svov) eines
wahren Sinnes den unmittelbar wahrgenommenen (oder eventuell
auch anschaulich verstandenen) anschaulichen Inhalt selbst, so
wie er als bloßer Inhalt noch ungedacht und formfrei sich der An-
schauung darbietet? Wir sehen in einem solchen Falle doch das
logische Subjekt des Sinnes, auf das wir mit dem Wort „dies“ und
der es begleitenden Gebärde hingewiesen werden, unmittelbar vor
uns, oder wir hören es, oder es kommt uns sonst in anderer Weise
unmittelbar anschaulich zum Bewußtsein. Inwiefern will man da
sagen, daß es schon hier einer Form des Denkens bedarf, die den
gesehenen oder gehörten Inhalt zum Subjekt eines wahren Sinn-
gebildes macht, noch bevor dieser Inhalt als wirklich erkannt ist ?
Es muß ohne weiteres zugegeben werden, daß wir in diesem
Falle in der Tat bei dem Minimum an logischer Form angelangt
sind, die das Subjekt eines wahren Sinngebildes überhaupt haben
kann, oder daß wir hier das, was zum Subjekt des wahren Sinnes
wird, so unmittelbar anschaulich erfassen wie nur möglich. Aber
gerade deswegen ist dieser Fall wichtig, denn wir werden, sobald
wir näher Zusehen, trotzdem nicht bezweifeln können, daß sogar
hier die Denkform der Identität, durch die noch gar nichts erkannt,
sondern nur etwas „gedacht“, d. h. logisch verstanden wird, eine
wesentliche, d. h. für das Zustandekommen eines wahren Sinn-
gebildes unentbehrliche Rolle spielt, und zwar schon bei dem von
einem Erkenntnis-Prädikat noch freien, begrifflich isolierten
logischen Subjekt.
Das nämlich ist gerade die Bedeutung des Wortes „dies“, daß
es trotz seiner Allgemeinheit, die es mit dem „Etwas“ teilt, aus-
schließlich einen bestimmten Inhalt bezeichnet, und daß daher
dieser Inhalt, falls etwas von ihm ausgesagt werden soll, derselbe
bleiben muß, d. h. nicht wie alle nur angeschauten, insbesondere
nur sinnlich wahrgenommenen Inhalte mit in den Erlebnis-Strom
hineingerissen werden darf. Das zeigt sich schon daran, daß wir,
ohne die Bedeutung des Subjektwortes „dies“ zu ändern, den
sprachlichen Ausdruck davon jederzeit so vervollständigen können,
daß wir „dieses“ von „jenem“ als einem nicht dies unterscheiden.
Dies Eine ist nicht dies Andere. Dann lautet der Satz „dies und
nicht jenes ist wirklich“, und damit kommt auch sprachlich zum
Ausdruck, was das „dies“ logisch, also nicht nur anschaulich, oder
 
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