VI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Copula. 127
was wir vorher mit überflüssiger Umständlichkeit an mehreren
besonderen Modifikationen aufzuweisen suchten. Wir wüßten so-
gleich, wie es logisch mit dem Prädikat „Sein“ bestellt ist.
Es soll in keiner Weise bestritten werden, daß in solchen Aus-
führungen etwas Berechtigtes steckt. Ja es wird im Hinblick auf
spätere Darlegungen gut sein, dem Einwand gegen unsere Dar-
stellung, sie sei unnötig verwickelt und außerdem bei einer Mehr-
heit von Prädikaten als etwas Vorletztem stehen geblieben, also
nicht allgemein genug, noch eine nähere Begründung zu geben,
die ausdrücklich zeigt, was die angedeuteten Gedanken Wahres
enthalten.
So richtig es sein mag, kann man sagen, daß wir, um von dem
Mond zu prädizieren, er sei eine Kugel, die Wahrheit, er sei wirk-
lich, bereits voraussetzen müssen, falls der Satz gegenständliche
Erkenntnis enthalten soll, so wenig kann vollends bezweifelt werden,
daß, um von dem Mond irgendeine inhaltliche Bestimmung als
gegenständlich wahr aussagen zu können, wir vor allem andern
annehmen müssen, daß er irgendwie in der Welt „ist“. Insofern
bildet schon in diesem besonderen Falle „Sein“ das allgemeinste
und, wenn man will, erst das „eigentliche“ Urprädikat, während
„wirklich-Sein“ ihm gegenüber noch als etwas Besonderes und
insofern Abgeleitetes erscheint. Das kann man kurz auch so zum
Ausdruck bringen, daß man sagt: um wirklich zu sein, muß etwas
zuerst sein, und sobald man das in dieser Allgemeinheit festgestellt
hat, ist zugleich klar: etwas Analoges ergibt sich, auch wenn wir
an die andern Beispiele denken. Daß der Peripheriewinkel im Halb-
kreis ein rechter ist, setzt ebenfalls voraus, daß er irgendwie in der
Welt „ist“, oder genauer „seiend“ ist, denn von einem nicht-
seienden Winkel kann eine gegenständliche mathematische Wahr-
heit nicht gelten. Für die übrigen Beispiele braucht das nicht
weiter ausgeführt zu werden. Es versteht sich von selbst: Gott
muß irgendwie „sein“, wenn von ihm ausgesagt werden soll, daß
er allwissend ist, obwohl er vielleicht nicht „in der Welt“ zu sein
braucht, und endlich muß auch der Sinn eines Satzes irgendwie
„sein“, ja notwendig in der Welt sein, um logisch geltend oder
wahr sein zu können.
Alle diese Behauptungen klingen fast wie Tautologien. Das
sind sie nun freilich, wie wir noch sehen werden, durchaus nicht,
aber ihre Richtigkeit oder Wahrheit kann man in der Tat nicht
bezweifeln. Jedes beliebige mit „etwas“ bezeichnete Objekt muß
was wir vorher mit überflüssiger Umständlichkeit an mehreren
besonderen Modifikationen aufzuweisen suchten. Wir wüßten so-
gleich, wie es logisch mit dem Prädikat „Sein“ bestellt ist.
Es soll in keiner Weise bestritten werden, daß in solchen Aus-
führungen etwas Berechtigtes steckt. Ja es wird im Hinblick auf
spätere Darlegungen gut sein, dem Einwand gegen unsere Dar-
stellung, sie sei unnötig verwickelt und außerdem bei einer Mehr-
heit von Prädikaten als etwas Vorletztem stehen geblieben, also
nicht allgemein genug, noch eine nähere Begründung zu geben,
die ausdrücklich zeigt, was die angedeuteten Gedanken Wahres
enthalten.
So richtig es sein mag, kann man sagen, daß wir, um von dem
Mond zu prädizieren, er sei eine Kugel, die Wahrheit, er sei wirk-
lich, bereits voraussetzen müssen, falls der Satz gegenständliche
Erkenntnis enthalten soll, so wenig kann vollends bezweifelt werden,
daß, um von dem Mond irgendeine inhaltliche Bestimmung als
gegenständlich wahr aussagen zu können, wir vor allem andern
annehmen müssen, daß er irgendwie in der Welt „ist“. Insofern
bildet schon in diesem besonderen Falle „Sein“ das allgemeinste
und, wenn man will, erst das „eigentliche“ Urprädikat, während
„wirklich-Sein“ ihm gegenüber noch als etwas Besonderes und
insofern Abgeleitetes erscheint. Das kann man kurz auch so zum
Ausdruck bringen, daß man sagt: um wirklich zu sein, muß etwas
zuerst sein, und sobald man das in dieser Allgemeinheit festgestellt
hat, ist zugleich klar: etwas Analoges ergibt sich, auch wenn wir
an die andern Beispiele denken. Daß der Peripheriewinkel im Halb-
kreis ein rechter ist, setzt ebenfalls voraus, daß er irgendwie in der
Welt „ist“, oder genauer „seiend“ ist, denn von einem nicht-
seienden Winkel kann eine gegenständliche mathematische Wahr-
heit nicht gelten. Für die übrigen Beispiele braucht das nicht
weiter ausgeführt zu werden. Es versteht sich von selbst: Gott
muß irgendwie „sein“, wenn von ihm ausgesagt werden soll, daß
er allwissend ist, obwohl er vielleicht nicht „in der Welt“ zu sein
braucht, und endlich muß auch der Sinn eines Satzes irgendwie
„sein“, ja notwendig in der Welt sein, um logisch geltend oder
wahr sein zu können.
Alle diese Behauptungen klingen fast wie Tautologien. Das
sind sie nun freilich, wie wir noch sehen werden, durchaus nicht,
aber ihre Richtigkeit oder Wahrheit kann man in der Tat nicht
bezweifeln. Jedes beliebige mit „etwas“ bezeichnete Objekt muß