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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0151
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VI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Copula. 143

theoretischen Gebiet. Das Erkennen muß in jedem Falle eine
Auswahl unter clen Urprädikaten treffen. Der inhaltlichen Be-
stimmtheit und Besonderheit des Subjekts hat eine besondere Art
des Urprädikats zu entsprechen, die, wenn sie auch sprachlich
zum Ausdruck gebracht werden soll, einen bestimmenden Zusatz
zu dem allgemeinsten Sein wie „wirklich“, „geltend“ usw., erfordert.
Das haben wir gezeigt.
Nun entsteht die Frage: hören die Urprädikate der Erkennt-
nis wegen dieser Besonderheit, die durch den Zusatz zum Ausdruck
kommt, auf, „Formen“ zu sein? Nein. Es wäre verfehlt, die Be-
deutung von Worten wie „wirklich“ oder „geltend“ schon als In-
halt im Unterschied zu der Form „Sein“ zu kennzeichnen. Auch
in ihrer Besonderheit und Mehrheit bewahren sie ihren Form-
charakter dadurch, daß sie nichts enthalten, was sich wie ein
Inhalt in seiner Besonderheit anschauen läßt. Sie heben nur das
an einer bestimmten Gruppe von anschaulichen Inhalten iden-
tische Moment hervor, das an der inhaltlichen Verschiedenheit
der Gegenstände innerhalb dieser Gruppe, wenn es von ihnen aus-
gesagt wird, nicht das geringste ändert. Das kennzeichnet sie als
„Formen“ in dem früher angegebenen Sinn.
Ferner können auch die Urprädikate niemals zu Subjekten
werden. Die „Wirklichkeit“ als Form ist selber nicht wirklich wie
das Subjekt einer Wirklichkeitsaussage. Die Geltung als Form ist
selber nicht geltend wie das Subjekt einer Geltungsaussage. Das
klingt zwar paradox. Sobald man aber einsieht, daß es sich bei
„Wirklichkeit“ und „Geltung“, so wie wir hier die Worte verstehen,
nur um Formen handelt, ist es eine schlichte Wahrheit. Formen
können nie in der Weise als wirklich oder geltend prädiziert werden
wie Gegenstände, die aus Form und Inhalt bestehen. Auch „gel-
ten“ kann nicht in der Weise gelten, wie der Satz, daß „etwas“
gilt. Nicht nur die Form des Seins überhaupt, sondern auch die
Form der sinnlichen Wirklichkeit bleibt im Vergleich zu allen
sinnlich wirklichen Inhalten als Form „leer“ und insofern not-
wendig unwirklich wie jede bloße Form. Trotzdem ist sie auch
als Form von andern Formen verschieden, falls sie eine Er-
kenntnisform bleiben und nicht zur bloßen Denkform des „Seins
überhaupt“ herabsinken soll.
Es sei ohne weiteres zugegeben, ja betont, daß in der Ver-
schiedenheit einer Mehrheit von Formen, die keine „inhaltliche“
Verschiedenheit mehr sein soll, ein Problem steckt, welches der
 
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