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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0189
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VIII. Ontologie und Metaphysik.

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Da alle bewußt metaphysischen Ontologien der Folgezeit nicht
nur faktisch mit den hier zum ersten Male gestellten Problemen
in Zusammenhang stehen, sondern in der Regel auch dieselbe Art
der Begründung zeigen, also auf logischer oder erkenntnistheore-
tischer Basis beruhen, braucht für einen großen Teil der europä-
ischen Ontologie und Metaphysik nicht mehr gezeigt zu werden,
daß er ohne Logik oder Erkenntnistheorie undenkbar ist. Überall
wird der Begriff des „wahren Seins“ von dem Begriff der „wahren
Erkenntnis“ her bestimmt, und es ist auch nicht einzusehen, wie
man ihn in einer Wissenschaft anders bestimmen sollte. Welchen
Inhalten ist das „wahre“ Sein als Prädikat zuzusprechen, und
welche anderen Inhalte haben als bloße „Erscheinungen“ zu gelten ?
So kann man das Problem jeder Metaphysik formulieren, und
um auf diese Frage eine begründete Antwort zu geben, muß man
zuerst wissen, was wahre Erkenntnis ist.
Doch wir können noch weiter gehen: man muß das nicht nur
dann wissen, wenn man eine metaphysische Ontologie des Jenseits
positiv aufbauen will, sondern auch dann, wenn man fragt, was
es denn mit der metaphysischen Seinsspaltung in Erscheinung und
Wesen als in Diesseits und Jenseits überhaupt auf sich hat. Man
wird dann zuerst untersuchen müssen, ob es richtig ist, daß Er-
kennen soviel wie „abbilden“ bedeutet, und daß daher, wie Platon
annahm, den wahren Begriffen (koyot,), die als Abbilder der Sinnen-
welt nicht gelten können, notwendig Gegenstände entsprechen, die
in einer andern Sphäre des Seins als der sinnlich wahrnehmbaren,
nämlich der übersinnlichen, zu suchen sind. Man hat also, um die
metaphysischen Voraussetzungen zu prüfen, vor allem den Begriff
der Wahrheit als den einer „Adäquatio“ ins Auge zu fassen, und
das ergibt dann ein logisches oder erkenntnistheoretisches Problem.
Von der Ansicht, die man über die logische oder erkenntnistheore-
tische Frage gewinnt, in welcher Hinsicht Erkenntnis mit ihren
Gegenständen „übereinzustimmen“ hat, und was eine Überein-
stimmung beim Erkennen überhaupt bedeutet, wird die Gestaltung
auch der Ontologie und vor allem die Bestimmung des „Ansich-
seienden“ abhängen.
Ja, wir können schließlich noch mehr sagen. Der Zusammen-
hang von Logik und Ontologie ist nicht nur für die Ontologie als
Metaphysik, sondern auch für die Gestaltung der Gedanken ent-
scheidend, die darauf ausgehen, die Welt ohne Annahme eines
Jenseits zu begreifen, die also eine metaphysikfreie Ontologie an-
 
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