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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0239
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X. Sein und Nichts.

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scheidende Instanz“ abgelehnt, sondern im Gegenteil gesagt, wir
brauchen das Nichts als das Andere der Welt, um das Seiende,
d. h. unser Seiendes, oder die Welt, d. h. unsere Welt, im Ganzen
zu „begreifen“. Heidegger denkt hiernach nicht nur logisch,
sondern sogar „heterologisch“, d. h. er weiß, daß man „das Eine“
nur dann logisch vollständig erfaßt, wenn man es zugleich
vom „Anderen“ unterscheidet1.
Es liegt unseren Bemerkungen, wie gesagt, fern, mit ihnen
irgendeine „Kritik“ an Heideggers Metaphysik des Nichts geben
zu wollen. Wir benutzen seine Gedanken nur, um das, was wir über
Sein und Nichts ausgeführt haben, an einem besonderen Beispiel
zu erläutern, ebenso wie wir es an dem „Nichts“ Platons, an dem
„Nichts“ der Mystiker, an dem „Nichts“ des Mephistopheles und
an dem „Nichts“ Hegels erläutert haben. Zu diesen vier Begriffen
des Nichts hat sich jetzt ein fünfter hinzugesellt, und auch ihn
können wir auf Grund unserer Prädikatslehre logisch verstehen.
Darauf allein kommt es uns an. Sonst wollen wir nichts. Die
Begriffe, die für Heidegger selbst und auch für andere wahr-
scheinlich die wichtigsten sind, wie die der „Langenweile“ und der
„Angst“, wurden daher absichtlich gar nicht erwähnt. Sie gehen
in der Tat über das, was sich von der Logik erörtern und ent-
scheiden läßt, weit hinaus. Hier kam es nur auf die Aufzeigung
des logischen, genauer heterologischen Prinzips an, durch welches
Heidegger theoretisch zu seinem „Nichts“ geführt wird.
Trotzdem können wir auch für unsere Zwecke den Begriff der
„Angst“ noch in einer Hinsicht mit heranziehen, denn was Hei-
degger im Anschluß an seine „Angst“ sagt, ist zugleich wieder eine
Bestätigung dafür, daß auch sein Nichts das Andere der prädi-
zierbaren, d.h.in Erkenntnisformen darstellbaren Welt ist. „Die
Angst, heißt es, verschlägt uns das Wort. Weil das Seiende im
ganzen entgleitet und so gerade das Nichts andrängt, schweigt im
Angesicht seiner jedes „Ist“-Sagen.“ Da wird ausdrücklich und
unzweideutig von Heidegger seihst erklärt: das Nichts ist das
Etwas, wozu wir kein Prädikat haben. Deshalb schweigt
das „Ist-Sagen“, d. h. das Prädizieren. Auch der darauf folgende
Satz kann als logische Rechtfertigung unserer Darstellung des „posi-
tiven“ Nichts gelten. „Daß wir in der Unheimlichkeit der Angst
1 Vgl. mein „System der Philosophie“ I, S. 57ff. Das ganze System
beruht auf einem logischen Denken, das bewußt überall zugleich heterolo-
gisch ist.
 
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