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Otto Immisch:
schichte in vier Zeilen verrät uns einen jener umformenden Eingriffe
eines Späteren, welcher der Mode (man kann auch sagen: dem
Sport) der sogenannten Tetrastichisten huldigte. Das eigentlich
Unmögliche ist aber doch der Rollentausch, wodurch hier zum
Abgetrumpften nicht der dumme Affe, sondern der schlaue Fuchs
wird. Freilich die neueren Herausgeber stellen die Verseingänge
1 und 3 schlankweg um. Ohne weiteres geht das nicht, und
zwar nicht bloß deshalb, weil in V. 1 Suidas den Text des Athous
bestätigt; Boissonade und Lachmann dürften gewußt haben,
warum außerdem sie nichts änderten. Stellt man um, so entsteht
die, wie es scheint, von vielen gar nicht bemerkte Schwierigkeit,
daß nunmehr V. 4 έχουσα ein Femininum πίθηκος voraussetzt.
Das ist indessen unmöglich, wenn nicht ausdrücklich die Affen-
mutter als solche gemeint ist, wie Babr. 35, 1 (ή πίθηκος ωδίνει)
und 56 (πίθηκος μήτηρ). Vermutlich ist es zur Verzerrung unserer
Fabel durch den Rollentausch überhaupt nur gekommen, weil der
Tetrastichist jenes έχουσα in seinem Babriustext schon vorfand
und durch das Umstellen dem von ihm berechtigterweise abge-
lehnten Femininum πίθηκος entgehen wollte. Er hätte den Anstoß
einfacher beseitigen können, wenn er das lediglich verschriebene
έχουσα in έχοντα änderte, neutrales Objekt zu ψεύδου. Wir unsrer-
seits verfahren so, und erst nach dieser Verbesserung folgen wir
den neueren Ausgaben in der Umkehr, die freilich immer noch nicht
den wirklichen Babrius gibt, sondern (und zwar über Herausgeber-
rechte hinausgreifend) das Tetrastic-hon in der Form, wie es der
Umdichter hätte machen sollen. — Hiernach kommen wir zu einer
weiteren Korruptel, die der Tetrastichist gleichfalls schon vorfand,
und zwar ist dies deswegen anzunehmen, weil sie in der zugehörigen
Prosafabel (39 Ch.; 43 H.) vorausgesetzt wird und die wunderlich-
sten Folgen nach sich gezogen hat. Gemeint ist hiermit das Wort
στήλην im ersten Vers. In der Paraphrase, die auch noch in einem
zweiten Punkte sich willkürlich von der Babriusvorlage emanzipiert1,
1 Nicht nur der Affe renommiert da, sondern auch der Fuchs selber,
im Wettstreit mit ihm, was den in beiden Fassungen sachlich gleichen
Schlußtrumpf unwirksam macht. Luria (S. 13) möchte, um auch diese späte
Variante für seine Rekonstruktion nützen zu können, solches offenkundige
Autoschediasma ausmerzen. Er weist deshalb darauf hin, daß die Worte
περί εύγενείας ήριζον und πολλά δέ έκατέρου διεξιόντος in der (bei Chambry
weggelassenen) Syntipas-Fassung Halm 43b fehlen. Das zieht aber nicht,
weil diese Fassung auch sonst ersichtlich kürzt. Sie läßt den Seufzer des
Aff ein weg. und streicht neben den άπελεύθεροι die δούλοι.
Otto Immisch:
schichte in vier Zeilen verrät uns einen jener umformenden Eingriffe
eines Späteren, welcher der Mode (man kann auch sagen: dem
Sport) der sogenannten Tetrastichisten huldigte. Das eigentlich
Unmögliche ist aber doch der Rollentausch, wodurch hier zum
Abgetrumpften nicht der dumme Affe, sondern der schlaue Fuchs
wird. Freilich die neueren Herausgeber stellen die Verseingänge
1 und 3 schlankweg um. Ohne weiteres geht das nicht, und
zwar nicht bloß deshalb, weil in V. 1 Suidas den Text des Athous
bestätigt; Boissonade und Lachmann dürften gewußt haben,
warum außerdem sie nichts änderten. Stellt man um, so entsteht
die, wie es scheint, von vielen gar nicht bemerkte Schwierigkeit,
daß nunmehr V. 4 έχουσα ein Femininum πίθηκος voraussetzt.
Das ist indessen unmöglich, wenn nicht ausdrücklich die Affen-
mutter als solche gemeint ist, wie Babr. 35, 1 (ή πίθηκος ωδίνει)
und 56 (πίθηκος μήτηρ). Vermutlich ist es zur Verzerrung unserer
Fabel durch den Rollentausch überhaupt nur gekommen, weil der
Tetrastichist jenes έχουσα in seinem Babriustext schon vorfand
und durch das Umstellen dem von ihm berechtigterweise abge-
lehnten Femininum πίθηκος entgehen wollte. Er hätte den Anstoß
einfacher beseitigen können, wenn er das lediglich verschriebene
έχουσα in έχοντα änderte, neutrales Objekt zu ψεύδου. Wir unsrer-
seits verfahren so, und erst nach dieser Verbesserung folgen wir
den neueren Ausgaben in der Umkehr, die freilich immer noch nicht
den wirklichen Babrius gibt, sondern (und zwar über Herausgeber-
rechte hinausgreifend) das Tetrastic-hon in der Form, wie es der
Umdichter hätte machen sollen. — Hiernach kommen wir zu einer
weiteren Korruptel, die der Tetrastichist gleichfalls schon vorfand,
und zwar ist dies deswegen anzunehmen, weil sie in der zugehörigen
Prosafabel (39 Ch.; 43 H.) vorausgesetzt wird und die wunderlich-
sten Folgen nach sich gezogen hat. Gemeint ist hiermit das Wort
στήλην im ersten Vers. In der Paraphrase, die auch noch in einem
zweiten Punkte sich willkürlich von der Babriusvorlage emanzipiert1,
1 Nicht nur der Affe renommiert da, sondern auch der Fuchs selber,
im Wettstreit mit ihm, was den in beiden Fassungen sachlich gleichen
Schlußtrumpf unwirksam macht. Luria (S. 13) möchte, um auch diese späte
Variante für seine Rekonstruktion nützen zu können, solches offenkundige
Autoschediasma ausmerzen. Er weist deshalb darauf hin, daß die Worte
περί εύγενείας ήριζον und πολλά δέ έκατέρου διεξιόντος in der (bei Chambry
weggelassenen) Syntipas-Fassung Halm 43b fehlen. Das zieht aber nicht,
weil diese Fassung auch sonst ersichtlich kürzt. Sie läßt den Seufzer des
Aff ein weg. und streicht neben den άπελεύθεροι die δούλοι.