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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 3. Abhandlung): Ein Epodos des Archilochos — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40154#0014
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Otto Immisch:

werker. Deshalb ist also auch die Grabstele unserer Fabel ein
falscher Griff und mit ihr natürlich auch ihre Multiplikation beim
byzantinischen Nacherzähler. Wenn indessen jemand noch zweifeln
sollte, der erwäge einen zweiten, wie ich denke, schlechthin ent-
scheidenden Gegengrund. Die Grabstele setzt unbedingt Beschrif-
tung voraus. Der merkwürdige Ausdruck στήλη πατρώη κάτι
παππωη wäre unverständlich, wenn derjenige, der so schrieb, nicht
an eine Inschrift dachte, die bezeugt hätte, daß zwei Bestattete
hier ruhen, was doch eben nur durch eine Namenaufschrift kund-
getan sein konnte, Namen, die nun also der Affe für seine Vorfahren
beansprucht. Man sieht, hier liegen neue, und zwar mindestens
drei Anstöße. Erstens, schon die Übertragung der Schrift in die
Tierzivilisation ist genau so fabelwidrig wie die Stele selbst. Zwei-
tens: wenn schon Inschrift, dann auch Tiernamen. Solche in-
dessen kennt zwar das Tierepos, nicht jedoch die Tierfabel.
Bei etwaiger Einwirkung aber des ersteren würde man redende
Namen vorauszusetzen das Recht haben, so daß keineswegs erst,
wie der Paraphrast will, die Toten aufzustehen brauchten, um dem
Fuchs zu sagen, ob der Affe log oder nicht. Und eben hiermit tritt
drittens hervor, wie in sich selbst unwahrscheinlich die ganze Er-
findung wäre, wenn das, was jetzt dasteht und was der Paraphrast
in gleicher Dichtung noch weiter ausgestaltet hat, wirklich als ur-
sprünglich gelten müßte. Es ist doch offenbar gemeint, ein Zufall
führe die Wanderer hei jener Stele (oder jenen Mnemata in der
Mehrzahl) vorüber, und der Affe wolle, mit Blick und Seufzer
theaterspielend, diesen Zufall ausntitzen. Doch wie unvorsichtig
von ihm, wenn da mit Schrift und mit wer weiß welchen Namen
zu rechnen war! Und wie beschränkt ist der sonst so gerissene
Fuchs, der seinerseits, wie scheinbar der Fabeldichter selbst,
dieses Beweismittel ganz übersehen hätte und den Schwindel des
Affen für unwiderleglich erklärt! All dies ist so unsinnig und
unanschaulich erdacht, daß man es unmöglich für die ένάργεια
der alten Fabel und gar für Archilochos in Anspruch nehmen
kann. Ich denke, wir dürfen es nicht einmal für den echten Babrius,
an dem gerade die saubere und genau überlegte Kleinmalerei das
beste ist. Das ganze Unglück, namentlich beim Paraphrasten, hat
ein alter, auch in Suidas’ Babrius schon vorliegender Textfehler an-
gerichtet. Der Leser hat ihn wohl selbst schon verbessert: ήν όρας
τύ λην, έμοί πατρώη έστί κάτι, παππωη, nunmehr wirklich ganz so
wie Theophrasts Δυσχερής spricht: ταΰτα είναι αύτω συγγενικά
 
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