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Brockes, Barthold Heinrich; Gundolf, Friedrich [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 4. Abhandlung): Ein Gelegenheitsgedicht von Brockes — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40155#0005
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Ein Gelegenheitsgedicht von Brockes.

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zahllosen Zeichen. Oben Gott, gelassener Begriff . . hienieden
Sachen, schmackhafte Vorwände, und dazwischen die Literatur
als Wissenschaft und als Redekunst, nach oben weisend mit der
Anerkenntnis des Spenders und Schöpfers, nach unten mit der
behäbigen Buchung angeeigneter Schätze: das ist das Weltbild
von Brockes, verwandt mit dem Hallers, aber ohne Rückhalt
solcher Gottesfurcht . . ohne die wissenschaftliche Entdeckerkraft
in der Polymathie, ohne den finsteren Eifer in der Poesie. Den
Hohlraum zwischen dem irdischen Vergnügen der Herbarien und
Tiergärten und dem Gott der Bibel hat Brockes nirgends durch-
fahren.
Im kleinen, darum vielleicht faßlicher, zeigt uns sein „Ehren-
Mahl“ die vielfältige Zwietracht seiner Gaben, die dadurch Mängel
werden. Ohne die geringste Trauer meint er mit bestimmten
Kunstgriffen, klanglichen wie die Langverse (und zum Schluß die
Wendung zu ,,Arien“ und „Chören“), bildhaften wie die allegori-
schen und mythologischen Prunkgeräte der Dichtkunst, der Natur
usw., dem Auftrag einer Trauerfeier genug zu tun. Hohe Vokabeln,
die im Laufe der Humanistik zu Chiffern der und der Gefühle ge-
worden waren, mußten den nicht zu erzwingenden Ton der Gefühle
ersetzen oder vertreten. Das war die Gattungspflicht des Kasual-
poeten als solchen, und der Geschäftsmann Brockes erfüllte sie
korrekt. Wichtiger war ihm die Befriedigung der Ansprüche, die
gerade an ihn als Blumenspezialisten gestellt wurden. Die stati-
stische Aufzählung sowohl der Blumensorten als der Grartenan-
lagen hat er nach eingeholten oder von vornherein durlachischer-
seits ihm übermittelten Namen and Zahlen mit sichtlichem Be-
hagen erledigt, lieber als die Trauereinleitung und den Trostschluß.
Man spürt, wie er mit einem erleichterten Seufzer sich von den
ehrenden, aber lästigen Poetenmühen zu seinen eigentlichen
musealen Geschäften wendet und dabei zärtlich-behäbig und gravi-
tätisch seine szientivischen Girlanden den poetischen Gerüsten an-
schnörkelt. Das selbstzufriedene Beschreiben der befohlenen
Trauer in die Pflanzengesten hinein, die Miniaturistensorgfalt als
Tracht und Benehmen der Teilnahme ist rührender, weil ehrlicher
als die amtliche und die rhetorische Salbung am Ein- und Ausgang.
Bei den Personen Carl Wilhelms und des Lieben Gottes war er
nicht, dem Hohen Herrn in Karlsruhe und dem Allerhöchsten
Herrn im Himmelreich . . doch bei der Sache war er, bei der
Baden-Durlachischen Gärtnerei mit ihren raren Gewächsen.
 
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