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Ernst Levy:
deren Nachhall die ignominiae1 sind: die Verurteilten, die, statt zu
zu fliehen, legis vim sabire vellent2, vitam amitterent-, von anderen
Sanktionen ist hier überhaupt nicht die Rede.
Das Leben wäre verwirkt, gleichviel ob durch formelle Durch-
führung der Vollstreckung oder kraft der Friedlosigkeit, der der
Interdizierte verfällt3: atrum malit cervices Roscio clare an insutus
in culeum per summum dedecus vitam amittere (Cic. p. Rose. Am. 30).
Dahin wird es der Bürger, dem seine Mittel die Flucht erlauben
und erstrebenswert machen4, nicht leicht kommen lassen. Sein
Selbstgefühl erhebt ihn über den Peregrinen, den virgis et securi-
bus subiectus (Val. Max. 9, 14 ext. 3):
. . . carnificem de foro, crucem de campo sustulisse. Sed
ista laus . . . est . . ., Quirites, . . . multorum virorum fortium,
qui vestram libertatem non acerbitate suppliciorum infestam,
sed lenitate legum munitam esse voluerunt (Cic. p. Rabir. ad
pop. 10; a. 63). Die bei der Hinrichtung dereinst gebräuchlichen
Formelworte
iam pridem in hac re publica non solum tenebris vetu-
statis, verum etiam luce libertatis oppressa sunt (Cic. ibid. 13).
13. In der Tat sind die Belege für die Hinrichtung eines
Bürgers am Ausgang der Republik5 ganz vereinzelt, weit seltener
jedenfalls, als diejenigen glauben müßten, die die Damnation der
Komitien mit der Exekution, die Verurteilung des Parricida mit
Säckung verwechseln. Sieht man von dem außerordentlichen Senats-
verfahren gegen die Catilinarier (Salb 55, 5. 6) ab6, so scheint das
1 Die Entziehung bürgerlicher Ehrenrechte konnte freilich selbständige
Begleitstrafe für nichtkapitale Verbrechen sein; vgl. z. B. zur Lex Servilia de
repetundis (a. 111) Auct. ad. Herenn. 1,20 (Mommsen 7293, Stroux [u. S. 405]
1153)- Daß gerade die Verurteilung wegen Repetunden nicht selten den An-
laß zur Selbstverbannung gab, steht fest (Mommsen 730, Strachan-Davidson II
11 ff.; s. auch ob. S. 24 4). Vielleicht denkt Cicero hier auch an solche Fälle
(Strachan-Davidson 127): poenam snbterfugere aut calamitatem. Das vitam amit-
terent wäre ein in der Rhetorik nicht ganz unüberwindliches Gegenindiz.
2 Vgl. auch kurz zuvor (§ 98): . . . legis multa profecti sunt, quam multam
si sufferre voluissent, manere in civitate potuissent.
3 Vgl. ob. S. 185.
4 Über den niedrigen Gewohnheitsverbrecher s. ob. S. 19l.
5 Über frühere (politische) Fälle Münzer (ob. S. 193).
6 Unrichtig ist der Bericht bei Plutarch, Sulla 10, daß i. J. 88 die Marianer
vom Senat zum Tode verurteilt worden seien (Mommsen, Staatsr. III 12461;
Rotondi, Leges 344). Das Volk verhängte Interdiktion: Sulla . . . urbe extur-
bavit ac lege lata exules fecit (Veil. Pat. 2, 19, 1).
Ernst Levy:
deren Nachhall die ignominiae1 sind: die Verurteilten, die, statt zu
zu fliehen, legis vim sabire vellent2, vitam amitterent-, von anderen
Sanktionen ist hier überhaupt nicht die Rede.
Das Leben wäre verwirkt, gleichviel ob durch formelle Durch-
führung der Vollstreckung oder kraft der Friedlosigkeit, der der
Interdizierte verfällt3: atrum malit cervices Roscio clare an insutus
in culeum per summum dedecus vitam amittere (Cic. p. Rose. Am. 30).
Dahin wird es der Bürger, dem seine Mittel die Flucht erlauben
und erstrebenswert machen4, nicht leicht kommen lassen. Sein
Selbstgefühl erhebt ihn über den Peregrinen, den virgis et securi-
bus subiectus (Val. Max. 9, 14 ext. 3):
. . . carnificem de foro, crucem de campo sustulisse. Sed
ista laus . . . est . . ., Quirites, . . . multorum virorum fortium,
qui vestram libertatem non acerbitate suppliciorum infestam,
sed lenitate legum munitam esse voluerunt (Cic. p. Rabir. ad
pop. 10; a. 63). Die bei der Hinrichtung dereinst gebräuchlichen
Formelworte
iam pridem in hac re publica non solum tenebris vetu-
statis, verum etiam luce libertatis oppressa sunt (Cic. ibid. 13).
13. In der Tat sind die Belege für die Hinrichtung eines
Bürgers am Ausgang der Republik5 ganz vereinzelt, weit seltener
jedenfalls, als diejenigen glauben müßten, die die Damnation der
Komitien mit der Exekution, die Verurteilung des Parricida mit
Säckung verwechseln. Sieht man von dem außerordentlichen Senats-
verfahren gegen die Catilinarier (Salb 55, 5. 6) ab6, so scheint das
1 Die Entziehung bürgerlicher Ehrenrechte konnte freilich selbständige
Begleitstrafe für nichtkapitale Verbrechen sein; vgl. z. B. zur Lex Servilia de
repetundis (a. 111) Auct. ad. Herenn. 1,20 (Mommsen 7293, Stroux [u. S. 405]
1153)- Daß gerade die Verurteilung wegen Repetunden nicht selten den An-
laß zur Selbstverbannung gab, steht fest (Mommsen 730, Strachan-Davidson II
11 ff.; s. auch ob. S. 24 4). Vielleicht denkt Cicero hier auch an solche Fälle
(Strachan-Davidson 127): poenam snbterfugere aut calamitatem. Das vitam amit-
terent wäre ein in der Rhetorik nicht ganz unüberwindliches Gegenindiz.
2 Vgl. auch kurz zuvor (§ 98): . . . legis multa profecti sunt, quam multam
si sufferre voluissent, manere in civitate potuissent.
3 Vgl. ob. S. 185.
4 Über den niedrigen Gewohnheitsverbrecher s. ob. S. 19l.
5 Über frühere (politische) Fälle Münzer (ob. S. 193).
6 Unrichtig ist der Bericht bei Plutarch, Sulla 10, daß i. J. 88 die Marianer
vom Senat zum Tode verurteilt worden seien (Mommsen, Staatsr. III 12461;
Rotondi, Leges 344). Das Volk verhängte Interdiktion: Sulla . . . urbe extur-
bavit ac lege lata exules fecit (Veil. Pat. 2, 19, 1).