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Ernst Levy:
auf die Tötung des Angeklagten schließen1; sie ist nur der Aus-
druck der ebenso unbestrittenen wie echt römischen Erscheinung,
daß die neue Verfahrensform die alte nicht verdrängte.2 Hat ja
doch Clodius den Milo sogar wegen bloßer vis noch im Jahre 56
apud populum anzuklagen vermocht.3 — Und nicht anders steht
es mit dem Parricidium. Das «für uns namenlose Gesetz, welches
bei der Überweisung der Mordprozesse an eine Geschworenen-
kommission den Nächstenmord dem Volksgericht vorbehielt»4, hat
es nicht gegeben. Das Komitialverfahren gegen den Sohnesmörder
Q. Fabius Maximus (um a. 104)5 und die Säckung des Mutter-
mörders Publicius Malleolus (a. 101)6 erweisen keinen solchen Vor-
behalt. Wir wissen nicht einmal, ob Maximus hingerichtet wurde
und ob Malleolus überhaupt vor den Komitien stand. Wenig später
sind die Quästionen auch hier belegt.7 An der althergebrachten
Strafe der Säckung änderte sich darum nichts.8 Sie wird erst
durch die Lex Pompeia (a. 559) betroffen, die den Tatbestand des
Parricidium ausbaut, das Verfahren modifiziert und bei dieser Ge-
legenheit verordnet, daß der Schuldige poena ea teneatur, quae est
legis Corneliae de sicariis (Marcian. D. 48, 9, 1). Das ist nicht die
«vollständige Abschaffung der Todesstrafe»10, nicht einmal die der
1 Richtig insoweit Mommsen 942: «wenn auch ohne Erfolg». — Auch Qu.
Servilius Caepio (etwa a. 103) ist nicht hingerichtet worden, wie der von der
übrigen Überlieferung abweichende Bericht bei Val. Max. 6, 9, 18 glauben
machen will: Münzer, Hermes 47, 170 ff. Es steht überdies selbst das nicht
fest, daß er von den Komitien abgeurteilt wurde; darüber verschiedene An-
sichten bei Mommsen 1981, Lengle 24 ff., Strachan-Davidson I 231. 237.
2 Mommsen 173 f. 587 f.
3 Mommsen, Staatsrecht II 49S1; vgl. Strafrecht 1745, Strachan-Davidson
I 204.
4 Mommsen 644; s. auch 174. 615 f. 6443, zustimmend Strachan-Davidson
I 162, vgl. auch de Visscher, La formule Paricidas eeto (1927) 37 f.
5 Oros. hist. 5, 16, 8.
6 Oros. hist. 5, 16, 23; Auct. ad Her. 1, 23; Liv. ep. 68.
7 Vgl. Cic. de invent. 2, 58. 59; p. Rose. Amer. 30. 72. 149f. (Mommsen
6441). Das übersieht Costa, Crim. 70 f., Cic. II 123 f., der darum den angeb-
lichen Vorbehalt zugunsten der Komitien sogar bis zur Lex Pompeia fort-
wirken läßt.
8 S. auch ob. S. 22.
9 So die allgemeine und wahrscheinlichste Datierung: z. B. Rotondi, Leges
406; Costa, Crim. 71, auch Mommsen 942; anders Mommsen 6442.
10 So Mommsen 6442, 201, 942.
Ernst Levy:
auf die Tötung des Angeklagten schließen1; sie ist nur der Aus-
druck der ebenso unbestrittenen wie echt römischen Erscheinung,
daß die neue Verfahrensform die alte nicht verdrängte.2 Hat ja
doch Clodius den Milo sogar wegen bloßer vis noch im Jahre 56
apud populum anzuklagen vermocht.3 — Und nicht anders steht
es mit dem Parricidium. Das «für uns namenlose Gesetz, welches
bei der Überweisung der Mordprozesse an eine Geschworenen-
kommission den Nächstenmord dem Volksgericht vorbehielt»4, hat
es nicht gegeben. Das Komitialverfahren gegen den Sohnesmörder
Q. Fabius Maximus (um a. 104)5 und die Säckung des Mutter-
mörders Publicius Malleolus (a. 101)6 erweisen keinen solchen Vor-
behalt. Wir wissen nicht einmal, ob Maximus hingerichtet wurde
und ob Malleolus überhaupt vor den Komitien stand. Wenig später
sind die Quästionen auch hier belegt.7 An der althergebrachten
Strafe der Säckung änderte sich darum nichts.8 Sie wird erst
durch die Lex Pompeia (a. 559) betroffen, die den Tatbestand des
Parricidium ausbaut, das Verfahren modifiziert und bei dieser Ge-
legenheit verordnet, daß der Schuldige poena ea teneatur, quae est
legis Corneliae de sicariis (Marcian. D. 48, 9, 1). Das ist nicht die
«vollständige Abschaffung der Todesstrafe»10, nicht einmal die der
1 Richtig insoweit Mommsen 942: «wenn auch ohne Erfolg». — Auch Qu.
Servilius Caepio (etwa a. 103) ist nicht hingerichtet worden, wie der von der
übrigen Überlieferung abweichende Bericht bei Val. Max. 6, 9, 18 glauben
machen will: Münzer, Hermes 47, 170 ff. Es steht überdies selbst das nicht
fest, daß er von den Komitien abgeurteilt wurde; darüber verschiedene An-
sichten bei Mommsen 1981, Lengle 24 ff., Strachan-Davidson I 231. 237.
2 Mommsen 173 f. 587 f.
3 Mommsen, Staatsrecht II 49S1; vgl. Strafrecht 1745, Strachan-Davidson
I 204.
4 Mommsen 644; s. auch 174. 615 f. 6443, zustimmend Strachan-Davidson
I 162, vgl. auch de Visscher, La formule Paricidas eeto (1927) 37 f.
5 Oros. hist. 5, 16, 8.
6 Oros. hist. 5, 16, 23; Auct. ad Her. 1, 23; Liv. ep. 68.
7 Vgl. Cic. de invent. 2, 58. 59; p. Rose. Amer. 30. 72. 149f. (Mommsen
6441). Das übersieht Costa, Crim. 70 f., Cic. II 123 f., der darum den angeb-
lichen Vorbehalt zugunsten der Komitien sogar bis zur Lex Pompeia fort-
wirken läßt.
8 S. auch ob. S. 22.
9 So die allgemeine und wahrscheinlichste Datierung: z. B. Rotondi, Leges
406; Costa, Crim. 71, auch Mommsen 942; anders Mommsen 6442.
10 So Mommsen 6442, 201, 942.