Einleitung.
Die aus dem Altertum überlieferten Fabelsammlungen enthalten
nicht wenig Stücke, die sich dem uns geläufigen, auf der Ästhetik
der Zopfzeit und der Theorie Lessings beruhenden Begriff der
Fabel mit seiner Betonung des Ethisch - Didaktischen 1 nicht fügen.
In einer sorgfältigen Gießener Dissertation gelangt Wienert2 zu
folgender Definition, die auch die Beispielserzählung umfaßt: Fabel
ist „Erzählung einer konkreten Handlung, aus der eine allgemeine
Wahrheit der Moral oder Lebensklugheit durch die aktive Tätigkeit
des Geistes der Zuhörer gewonnen werden soll. Diese Tätigkeit
kann metaphorisch sein (Gleichniserzählung) oder auch nur ver-
allgemeinernd (Beispielserzählung)“. Diese Fabeln scheiden sich nach
der literarischen Form in „Märchenfabeln, Sagenfabeln, Novellen-
fabeln“, nach den auftretenden Personen in „Fabeln von Menschen,
von Göttern oder Halbgöttern, von Natur wesen (Tieren, Pflanzen,
leblosen Gegenständen)“.3 Aber auch diese- Begriffsbestimmung
deckt nicht den gesamten Inhalt der antiken Sammlungen, aus denen
Wienert S. 34ff. über 70 Erzählungseinheiten (verschiedene Versionen
eines Stoffes rechne ich als eine Einheit), die nicht im eigentlichen
Sinn Fabeln darstellen, ausscheidet. Diese Stücke faßt er als Märchen
und Sagen, Personifikationen (kein ganz glücklicher Ausdruck; ge-
meint ist etwa der Agon von Kakia und Arete vor Herakles u. ä.),
Novellen, Satiren, Ghrien, Allegorien, Gleichnisse, Wortspiele und
Witze, religiöse Schilderungen (Phädrus app. 5 und 6). Ihr Vor-
kommen in den Fabelcorpora erklärt sich daraus, daß es sich um
Kleinliteratur volkstümlicher Art handelt, die sich in diesem oder
1 Vgl. 0. Crusius, Fragmente aus der Geschichte der Fabel (in Kleukens
Buch der Fabeln), S. IV.
2 Die Typen der griechisch-römischen Fabel, mit einer Einleitung über das
Wesen der Fabel (F. F. Communications, edited for the Folklore Fellows XVII, 2,
no. 56, Helsinki 1925), S. 8.
3 Wienert 20.
Die aus dem Altertum überlieferten Fabelsammlungen enthalten
nicht wenig Stücke, die sich dem uns geläufigen, auf der Ästhetik
der Zopfzeit und der Theorie Lessings beruhenden Begriff der
Fabel mit seiner Betonung des Ethisch - Didaktischen 1 nicht fügen.
In einer sorgfältigen Gießener Dissertation gelangt Wienert2 zu
folgender Definition, die auch die Beispielserzählung umfaßt: Fabel
ist „Erzählung einer konkreten Handlung, aus der eine allgemeine
Wahrheit der Moral oder Lebensklugheit durch die aktive Tätigkeit
des Geistes der Zuhörer gewonnen werden soll. Diese Tätigkeit
kann metaphorisch sein (Gleichniserzählung) oder auch nur ver-
allgemeinernd (Beispielserzählung)“. Diese Fabeln scheiden sich nach
der literarischen Form in „Märchenfabeln, Sagenfabeln, Novellen-
fabeln“, nach den auftretenden Personen in „Fabeln von Menschen,
von Göttern oder Halbgöttern, von Natur wesen (Tieren, Pflanzen,
leblosen Gegenständen)“.3 Aber auch diese- Begriffsbestimmung
deckt nicht den gesamten Inhalt der antiken Sammlungen, aus denen
Wienert S. 34ff. über 70 Erzählungseinheiten (verschiedene Versionen
eines Stoffes rechne ich als eine Einheit), die nicht im eigentlichen
Sinn Fabeln darstellen, ausscheidet. Diese Stücke faßt er als Märchen
und Sagen, Personifikationen (kein ganz glücklicher Ausdruck; ge-
meint ist etwa der Agon von Kakia und Arete vor Herakles u. ä.),
Novellen, Satiren, Ghrien, Allegorien, Gleichnisse, Wortspiele und
Witze, religiöse Schilderungen (Phädrus app. 5 und 6). Ihr Vor-
kommen in den Fabelcorpora erklärt sich daraus, daß es sich um
Kleinliteratur volkstümlicher Art handelt, die sich in diesem oder
1 Vgl. 0. Crusius, Fragmente aus der Geschichte der Fabel (in Kleukens
Buch der Fabeln), S. IV.
2 Die Typen der griechisch-römischen Fabel, mit einer Einleitung über das
Wesen der Fabel (F. F. Communications, edited for the Folklore Fellows XVII, 2,
no. 56, Helsinki 1925), S. 8.
3 Wienert 20.