Fabel, Aretalogie, Novelle.
13
consedit genitor tum deorum maximus
quassatgue fulmen: tremere coepere omnia.
canes confusi, subitus quod fuerat fragor.
Nun bei Juppiter ist es ohne weiteres verständlich, daß er donnert
und blitzt. Aber Venus oder Aphrodite pflegt sonst eigentlich nicht
selbst Umvetter zu machen.1 Wenn im griechischen Kult Aphrodite
als Regengöttin erscheint2, so zielt das auf den die Natur be-
fruchtenden, alles zu Blühen und Gedeihen bringenden, im heißen
Süden doppelt ersehnten Regen. Jedoch Sturm erregt sie nicht
einmal, wenn sie Hippolytos vernichten will; den Stier jagt nicht
die Schaumgeborene aus dem Meer. Und daß sie den Donner
erkrachen läßt, wird wohl nirgends sonst berichtet als hier. Zwei
Wege zur Lösung stehen offen. Entweder hat Phädrus stark ge-
kürzt, und in der Vorlage war es Aphrodite, die von Zeus den
Sturm erschmeichelt, wie Venus in der Äneis den Äolus in Tätig-
keit setzt — aber warum dann so viele Verse für den Sturm und
kein Wort vom Verursacher? Oder aber, und das wird zutreffen:
im Hellenismus, als man sich nicht genug tun konnte, die rerum
naiurae prisca parens, die elementorum origo initialis im Wehen
linder Lüfte strahlen verklärt zu feiern, da mochte auch einmal einer
bestimmten αρετή wegen ihre Macht sich zunächst schreckenerregend
auswirken, um im guten Ende dann zwei Liebende zusammenzu-
führen. Wer in diesem Unwetter noch kein aretalogisches Moment
erkennt, stutzt aber wohl, wenn der Esel, mit seiner kostbaren Last
im alten Haus angelangt, verständnisvoll
voce magna sese venisse inclicat.
Zwar fühlen, handeln, reden auch in der Fabelwelt die Tiere
menschlich, aber dieses Moment gibt hier nicht den Ausschlag: er
weiß, daß er Mitspieler in einer Aktion ist, die ούκ ανευ τοΰ θείου
sich vollzieht; er spürt, daß die πρόνοια θεών am Werke ist; er
handelt, weil er weiß, cui serviat.3 Genau wie der Esel bei Phädrus
I, 11, der sich dem Löwen gefällig erweist und durch sein Ge-
schrei — novo miracido — die Tiere schreckt. Das mutige Ge-
schrei der Esel, die Dionysos, Hephäst, Satyrn im Gigantenkampf
1 Vielmehr stillt sie den Sturm auf dem Meer: Rouse, Greek votive
offerings 228.
2 0. Gruppe, Griech. Mythol. u. Rel. Gesch. 1353f.
3 Zu Tier- und Göttergehorsam in Aretalogien vgl. meine Studien zu Martial
80ff. 101 ff. 156 ff. Gebet und Wunder (Genethliakon W. Schmid) 228. 297.
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consedit genitor tum deorum maximus
quassatgue fulmen: tremere coepere omnia.
canes confusi, subitus quod fuerat fragor.
Nun bei Juppiter ist es ohne weiteres verständlich, daß er donnert
und blitzt. Aber Venus oder Aphrodite pflegt sonst eigentlich nicht
selbst Umvetter zu machen.1 Wenn im griechischen Kult Aphrodite
als Regengöttin erscheint2, so zielt das auf den die Natur be-
fruchtenden, alles zu Blühen und Gedeihen bringenden, im heißen
Süden doppelt ersehnten Regen. Jedoch Sturm erregt sie nicht
einmal, wenn sie Hippolytos vernichten will; den Stier jagt nicht
die Schaumgeborene aus dem Meer. Und daß sie den Donner
erkrachen läßt, wird wohl nirgends sonst berichtet als hier. Zwei
Wege zur Lösung stehen offen. Entweder hat Phädrus stark ge-
kürzt, und in der Vorlage war es Aphrodite, die von Zeus den
Sturm erschmeichelt, wie Venus in der Äneis den Äolus in Tätig-
keit setzt — aber warum dann so viele Verse für den Sturm und
kein Wort vom Verursacher? Oder aber, und das wird zutreffen:
im Hellenismus, als man sich nicht genug tun konnte, die rerum
naiurae prisca parens, die elementorum origo initialis im Wehen
linder Lüfte strahlen verklärt zu feiern, da mochte auch einmal einer
bestimmten αρετή wegen ihre Macht sich zunächst schreckenerregend
auswirken, um im guten Ende dann zwei Liebende zusammenzu-
führen. Wer in diesem Unwetter noch kein aretalogisches Moment
erkennt, stutzt aber wohl, wenn der Esel, mit seiner kostbaren Last
im alten Haus angelangt, verständnisvoll
voce magna sese venisse inclicat.
Zwar fühlen, handeln, reden auch in der Fabelwelt die Tiere
menschlich, aber dieses Moment gibt hier nicht den Ausschlag: er
weiß, daß er Mitspieler in einer Aktion ist, die ούκ ανευ τοΰ θείου
sich vollzieht; er spürt, daß die πρόνοια θεών am Werke ist; er
handelt, weil er weiß, cui serviat.3 Genau wie der Esel bei Phädrus
I, 11, der sich dem Löwen gefällig erweist und durch sein Ge-
schrei — novo miracido — die Tiere schreckt. Das mutige Ge-
schrei der Esel, die Dionysos, Hephäst, Satyrn im Gigantenkampf
1 Vielmehr stillt sie den Sturm auf dem Meer: Rouse, Greek votive
offerings 228.
2 0. Gruppe, Griech. Mythol. u. Rel. Gesch. 1353f.
3 Zu Tier- und Göttergehorsam in Aretalogien vgl. meine Studien zu Martial
80ff. 101 ff. 156 ff. Gebet und Wunder (Genethliakon W. Schmid) 228. 297.