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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0014
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14

Otto Weinreich:

tragen, jagt die Unholde in die Flucht, daher kommen die
ovoi unter die Sterne (Ps. Eratosth. 11). Eselsgebrüll rettet Lotis
und Vesta vor dem Attentat des Priap (Ovid f. I, 433; VI,
342). Eselsgebrüll rettet, wie nachher noch zu erwähnen, die Am-
brakioten vor den Molossern. Das ist alles zwar nicht genau
vergleichbar, aber weist in literarische Sphären, die näher liegen
als Stesichoros, Archilochos, Hesiod. Zu einer Aretalogie gehört
das Staunen der Augenzeugen (wir kommen nachher noch darauf
zurück), und das fehlt auch hier nicht: admirantur (24). Dazu ist
nicht Objekt pulchram virginem, denn die kennen die pueri des Lieb-
habers ja genau; et admirantur heißt, sie staunen ob des wunder-
baren Ereignisses. Und als das „Volk“ von der ganzen Sache hört,
omnes favorem comproharunt caelitum. Da wird im Schlußvers also
nochmals auf das wunderbare Walten der Götter hingewiesen. Es
ist deutlich: die „Novelle“ war stilisiert als αρετή der die treuen
Liebenden schützenden und vereinigenden Liebesgöttin. Man ver-
gleiche die Szene eines der antiken Liebesromane: als Anthia und
Habrokomes infolge des wunderbaren Waltens der Liebes- und Ehe-
göttin —· hier der Isis — sich nach Trennung und Not endlich
gefunden und das Volk davon hörte: άνευφήμησέ τε και άνωλόλυ£ε,
μεγάλην θεόν άνακαλουντες την Ίσιν' πάλιν, λέγοντες, όρώμεν Αβρο-
κόμην και Άνθίαν τούς καλούς. Und das Paar selbst geht zum Tempel:
σοί, λέγοντες, ώ μεγίστη θεά, την υπέρ τής σωτηρίας ημών χάριν
οΐδαμεν, όιά σέ, ώ πάντων ήμΐν τιμιωτάτη, εαυτούς άπειλήφαμεν.1 In
ähnlicher Weise konnte in der Vorlage der Schluß breiter ausgemalt
sein. Auch abgesehen von dieser Romanstelle habe ich erwogen,
ob die Venus des Phädrus nicht vielleicht als Ersatz einer Isis-
Aphrodite seiner Vorlage betrachtet werden darf. Denn ihre
άρεταί spielen, wie uns immer deutlicher wird, im Hellenismus eine
große Rolle. Sie ist auch Herrin über Wind und Wetter, ist Ehe-
stifterin κατ' έΗοχήν. In ihrem Evangelium sagt sie: εγώ γυναίκα
και άνόρα συνήγαγον.2 Sie ist als Isis-Tyche3 Lenkerin der Menschen-
schicksale, ihre πρόνοια leitet sie durch alle Fährnisse hindurch zum

1 Xenophon Ephes. V, 13, vgl. meine Notiz Hermes 55, 1920, 327f.; Kerenyi
a. a. 0. 61 und 93.
2 Isisaretalogie von Kyme, von los, Hymnos von Andros, vgl. W. Peek, Der
Isishymnos von Andros, S. 16, v. 37, S. 122 und 123 no. 17.
3 Nur auf die Überschrift der Fabel darf man sich nicht stützen, da diese
nicht von Phädrus selbst herrührt. Sonst wäre es verlockend, die Venus des
Textes und die Fortuna des Titels auf den Generalnenner Isis zu biingen.
 
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