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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0016
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16

Otto Weinreich:

auch für Apuleius selbst und seine Quellen ein neuer Ausblick er-
öffnet, müssen wir zunächst Apuleius in den Vordergrund rücken
und die Entsprechungen bzw. Abweichungen in Lukians Λούκιος ή
'Όνος berücksichtigen, um auf Lukios von Patrai rückschließen zu
können. Met. IV, 23 (Luk. 22) bringen die Räuber, in deren Besitz
sich der in einen Esel verwandelte Held der Geschichte befindet,
als einzige Beute ein wunderschönes Mädchen von ihrer Expedition
zurück. Daß sie aus vornehmer Familie stamme, sagt nur Apuleius,
wo es der Esel aus ihrer Kleidung schließt, und wo es dann durch
die Aussage der Räuber bestätigt wird: wenn ihre reichen Eltern
das Lösegeld bezahlt hätten, werde das Mädchen freigelassen
(23 Ende). Der Monolog des Mädchens (24) unterstreicht die Her-
kunft aus einem reichen Haus. Und auch nur Apuleius bietet (26)
folgendes Stück Vorgeschichte, als Klage des Mädchens jener Alten
gegenüber, der (auch bei Luk.) die Bewachung des Mädchens an-
vertraut ist: ein schöner, vornehmer Jüngling, ihr Vetter, ist ihr so
zugetan wie sie ihm, von Kindheit auf lieben sie sich. Endlich wird
ihre Hochzeit gerüstet, mit reichem Gefolge, der Hymenäus erschallt,
die Fackeln brennen — da kommen die Räuber und entführen die
Braut. Daß sie Braut ist, sagt Lukian. der stark kürzt, hier noch
nicht. Aber 26 berichtet er dann, daß ihr Bräutigam — uner-
kannt — mit den Räubern zurückkehrt (vgl. unten). Daraus folgt,
daß im Όνος die Vorgeschichte nur der Epitomierung zum Opfer
fiel, und daß wir für das gemeinsame Vorbild von Apuleius und
Lukian, für die Metamorphosen des Lukios von Patrai, im wesent-
lichen die Fassung des Apuleius schon voraussetzen dürfen.
Bei Phädrus haben wir den schönen und vornehmen, aber
armen Jüngling, dessen Liebe auch erwidert war; daß bei Apuleius
der Vetter reich war, wird nirgends gesagt, aber auch nicht, daß
er arm war. Großes Hochzeitsgefolge ist bei Apuleius wie Phädrus
da, Fackeln und Hymenäus natürlich auch, und beide Male wird
die Hochzeit vereitelt; die Unterschiede sonst liegen auf der Hand;
vor allem fehlt vorläufig noch der Nebenbuhler. Wir werden ihn
aber später finden (Teil 2 dieses Abschnitts).
Die Handlung wird bei Apuleius erst im VI. Buch fortgeführt,
da die Alte, um das Mädchen zu trösten, die Geschichte von Amor
und Psyche erzählt (IV 28 — VI 24), die Lukian ja nicht gibt.1
1 Kerenyi a. a. 0. 160 vertritt die These, daß auch die Geschichte von Amor
und Psyche im Original stand, was mir nicht unwahrscheinlich vorkommt.
 
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