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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0018
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18

Otto Weinreich:

rudis perpetuabitur historia „asino vectore virgo regia
fugiens captivitatem“. accedes antiquis et ipse miraculis, et
iam credemu s exemplo tuae veritatis et Frixum arieti super-
natasse et Arionem delphinum gabernasse et Europam tauro super-
cubasse. quodsi vere Iupiter mugivit in bove, potest in asino meo
latere aliqui vel vultus hominis vel facies deornm.
Was bei Phädrus der Esel ist, ein Werkzeug der misericordia
Veneris, was das ganze Volk beifällig aufnimmt, favorem caelitum,
das ist hier als Motiv stark unterstrichen.1 Was wir oben S. 11
als für das Vorbild vorauszusetzen vermuteten: Empfindung des
Esels für seine schöne Last, das gibt Apul. und Lukian, also Lukios
von Patrai. Was wir vermißten: Dank an den Esel, ist bei beiden
vorhanden, stand sonach ebenfalls im Original. Daß der Dank rituell
eingekleidet wird, paßt gut zur „aretalogischen Novelle“, die ich als
Vorbild des Phädrus voraussetze, und die auch, wie nachher noch
zu zeigen versucht wird, Apuleius kannte. Wenn er hier das
Mädchen sagen läßt, ihr Abenteuer werde im Volke als Fabula um-
laufen und von docti literarisch behandelt werden unter dem oben
angegebenen Titel, so dürfen wir das natürlich literarhistorisch aus-
werten. Entweder ist es direkt ein Quellenhinweis oder es bezeichnet
einen Stoff, dessen Behandlung als selbständige Fabula dankbar wäre.
Dabei waren verwertet oder könnten gut verwertet werden von den
docti jene drei mythologischen Exempla. Die Pointierung, daß die
neue Wirklichkeit alte Wunder und Mythen beglaubigt, kennen wir
z. B. aus Martial, der darin griechischer Technik folgt.2
Da Lukian sich so kurz faßt, sind alle diese auf die divina
providentia hinweisenden Züge wie auch die mythologisierende Exem-
plifikation jetzt auf Apuleius beschränkt. Ob es Zutaten von ihm
sind oder ererbt aus Lukios von Patrai, läßt sich zunächst kaum
ausmachen. Bedenken wir aber, daß nur hier, bei der Schilderung
der erst erhofften Heimkehr, diese aretalogischen Motive auftreten,
1 Kerenyi a. a. 0. 197, A. 91 bespricht die Rolle des Esels als Retter, aber
mit, wie mir scheint, zu engem Inbeziehungsetzen zum Isismythos. An Phädrus
hat er nicht gedacht — und ich damals, als ich seine Korrekturen mitlas, auch
nicht. Ich stelle, von Phädrus und der gesuchten Vorlage aus, mehr das Novel-
listische in den Vordergrund; das Aretalogische gehört für mich auch dazu, jedoch
ohne daß ich in der Fabula noch Spuren von einem Götterdrama fände. Kerenyis
Gesamtthese, daß im Motivkreise der Romanliteratur viel säkularisiertes, den
Erzählern schon nicht mehr als solches bewußtes Mythenmaterial fortlebt, wird
dadurch nicht berührt.
2 Vgl. meine Studien zu Martial 30f. 31. 72. 74 A. 1. 77f.
 
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