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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0019
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

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nachher bei der wirklichen Heimkehr von divina providentia u. dgl.
nicht mehr die Rede ist, und suchen wir dafür die Erklärung, dann
kommen wir vielleicht zu einer bestimmteren Lösung. Der zweite
Fluchtversuch gelingt nämlich durch Mithilfe des Bräutigams, wie
wir nachher sehen werden. Der erste wäre nur dem Esel zu ver-
danken gewesen. Beim ersten allein also liegt die größere Ähnlich-
keit mit dem Phädrustypus vor, und wenn im Apuleiustext jetzt
nur bei der ersten Szene jene aretalogische Ausmalung sich findet,
so scheint mir das eben auf dem Einfluß jener für Phädrus voraus-
zusetzenden novellistischen Eselsaretalogie zu beruhen. Jedenfalls
würde dadurch befriedigend der Unterschied der beiden Heimkehr-
szenen erklärt. Schon die Tatsache, daß wir zwei solcher Szenen
haben, weist auf eine Dublette hin, auf Kontamination zweier Typen:
1. geglückte Rettung durch den Esel allein, die muß als Wunder
empfunden werden; 2. geglückte Rettung, indem der helfende
Bräutigam die Braut auf dem Esel heimführt. Da sind jene Züge
entbehrlich.1
1 Ein Gegenstück zu den rituellen Ehren des Esels als Retter erhält, denke
ich, auch Tlepolemus, freilich erst nach seinem tragischen Tode, auf den wir
noch zu sprechen kommen. Charite muß ihn, selbst wenn das nirgends ausdrück-
lich gesagt wird, zeitlebens als ihren Retter verehrt haben. Und nach seinem
frühen Tod macht sie (VIII 7) imagines defuncti, quas ad habitum dei Liberi
formaverat, und adfixo servitio divinis percolens honoribus ipso se solacio cruciabat.
Weil das von E. Maass, Ind. schol. Gryphiswald. 1886/87, p. XIV und C. Bürger,
De Lucio Patrensi (Diss. Berlin 1887) 47 falsch beurteilt wird, gehe ich darauf
ein. Es handelt sich keineswegs um literarischen Einfluß des euripideischen
Protesilaos und Laodamias Bild, das sie sich von dem verstorbenen Gemahl macht;
das rein mythologische Exemplum in IV 26 würde ja auch gar nicht verständlich
machen, warum Charite habitum dei Liberi wählt. Richtig haben schon (ohne
zu Maass Stellung zu nehmen) Deneken, Roschers Lex. I 2588 und W. Schwarzlose,
De titulis sepulcralibus latinis (Diss. Halle 1913) 46 auf die bekannte hellenistisch-
römische Sitte verwiesen, Tote zu ehren, indem man ihren Bildern die Züge
oder Attribute eines Gottes gibt (vgl. Baege, De Macedonum sacris, Diss. Phil.
Hai. XXII, 74, 52, 141, 195; meine Notiz ARW XVIII, 1915, 23; Nock, JHS 48,
1928, 32 A. 55). Neben andern Göttern wird so Dionysos verwendet: έκ be με
παι6ός εις Διονύσου αγαλμ’ εθεσαν μήτηρ τε πατήρ τε (Grabepigramm aus R.om,
IG XIV, 1990; Kaibel Ep. Gr. 705). Apuleius sagt jedoch imagines·, wenn der
Plural beim Wort genommen werden darf (oder ist er nur „orendistisch“, um
mit Hävers zu sprechen? Festschr. Kretschmer 39fb, scharf bekämpft von Löfstedt,
Syntactica I, 24f.), ist an eine Grabstatue und an ein privates häusliches „Heiligen-
bild“ zu denken, und das scheint mir sehr bezeichnend für volkstümliche Reli-
giosität. Jedoch kommt m. E. bei der- Wahl des dei Liberi noch ein ganz indi-
viduelles Moment für Charite hinzu: Tlepolemus war ihr Retter gewesen aus der
Gefangenschaft, daher wird er zum Διόνυσος Λύσιος. Auch den Römern war

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