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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0027
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

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das Kommende aus den Mienen der Braut und des Rivalen des
Bräutigams vorausgesehen haben will: Kampf der Scharen, Raub
der Braut bei dem Hochzeitsfest selbst, Vermählung mit dem Neben-
buhler, den sie insgeheim begünstigt hatte. Dadurch stehen diese
beiden Fälle dem Typus des Phädrus näher, nur daß hier Gewalt,
nicht Götterwalten und Eselshilfe Hans und Grete vereinen.

C. Folgerungen für die Cliarite-Novellen
und die Kompositionsweise des Apuleius.
Diese Analogien machen es zweifellos, daß Apuleius von Lukios
ab wich, indem er einen (doch wohl kurzen) Bericht über das Ende des
Paares, das den Tod durch Ertrinken fand, ersetzte durch seine auf-
regende Fassung, die mit den Vorzügen des Kamma-Aristokleiatypus
zugleich die Eigenschaft verband, ein tragisches Gegenstück zu der
im 2. Jahrhundert wohl bekannten Matrone von Ephesos bei Petron
und Phädrus zu sein.1 *
Daß der Name Charite so spät erst auftaucht, findet jetzt seine
Erklärung: er haftet ursprünglich an der zweiten Novelle, der
tragischen. Warum aber verband sie Apuleius in Personeneinheit
mit der früheren Geschichte der schönen, vom Esel ins Haus des
rechten Bräutigams gebrachten Braut? Weil beiden, ursprünglich
unabhängig existierenden Typen die Dreizahl von Personen ge-
meinsam war: Mädchen bzw. Frau und zwei Bewerber. Genau so
auffallend wie das späte Auftauchen des Namens Charite ist es,
daß wir von dieser weiteren männlichen Hauptperson (Thrasyll)
erst im VIII. Buch hören, statt schon bei der Erzählung ihrer Braut-
schaft und Hochzeitsfeier mit Tlepolemus (IV, 26). Zur Phädrus-
fabel und ihrer novellistischen \7orlage paßt 1. der Eselsritt in den
Räuberbüchern, 2. die Bewerbung der zwei Freier im VIII. Buche·
Nur das erste Thema (Eselsritt) steht für Lukios von Patrai fest;
Lukian weiß vom zweiten nichts, weil da Apuleius neuerte. Und jetzt
dürfen wir sagen: weil Apuleius Kenntnis hatte von dem bei Phädrus
vorliegenden Novellentypus (ich sage nicht, weil er die Fabel selbst
kannte), knüpft er jene Eselsgeschichte mit der Brautheimholung
und die tragische Novelle durch Personeneinheit zusammen. Beweis

1 Und ganz wie eine neue, selbständige tabula beginnt sie auch VIII, 1 :
erat in proxima civitate iuvenis natalibus praenobilis . . . Thrasyllus nomine . . .
 
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