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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0028
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28

Otto Weinreich:

der Kontamination zweier völlig unabhängiger Novellenstoffe ist,
wie gesagt, 1. das späte Auftreten des Namens Charite, 2. das späte
Namhaftmachen des Rivalen, überhaupt die Nachholung der Vor-
geschichte erst innerhalb des VIII. Buchs.
Wir können den Grund für diese Kombination zweier Novellen,
glaube ich, erraten; er liegt in der künstlerischen Organisation des
Ganzen. Die buntscheckigen Schicksale des Eselmenschen bringen
schon eine starke Mannigfaltigkeit, die vielen Einzelnovellen ver-
mehren sie noch. Da ist es wünschenswert, der einen Hauptperson
des Lucius-asinus als weiteres Band des Ganzen auch im Chorus
der Nebenpersonen einige zuzugesellen, die auf weitere Strecken des
Werkes hin die Schicksale des Helden begleiten. Apuleius hat in-
haltlich schon mit der Mannigfaltigkeit der Hauptaktion eine gewisse
Einheitlichkeit und Planmäßigkeit der Einlagen zu verbinden gewußt.1
In den ersten Büchern, wo der Held sein Interesse für Magie be-
zeugt, dienen vorwiegend Zauber- und Hexengeschichten als Ein-
lagen. Ist der Esel bei den Räubern IV—VII, werden Räuber-
geschichten stilgemäße Embleme. In VIII und IX, wo er selbst ein
erotisches Abenteuer erlebt und ein weiteres ihm zugedacht wird,
sind jene meist lasziven Ehebruchsgeschichten am Platze, deren
düsteren Kontrast die Charitenovelle in VIII abgibt. Nicht anders
war die künstlerische Kontrastwirkung dafür mitbestimmend, bei den
Räubern gerade das große παραμύθιον τής λύπης von Amor und
Psyche zu geben.
Dieser Planmäßigkeit der Sachinhalte entspricht es, wenn der
Hauptperson auf weitere Strecken hin Personeneinheiten als Deuter-
agonisten gegenüberstehen, gerade auch in weiblichen Gestalten:
Fotis in den ersten Büchern, in den mittleren Charite und Tlepolemos.
All die Schicksale eines schönen, von RAubern gefangenen Mädchens,
einer geraubten und mit dem Bräutigam glücklich wieder vereinten
Braut, das düstere Ende einer jungen Frau sollen zu einer einheit-
lichen Handlungsreihe zusammengeschlossen werden eben durch
Einsatz des Namens Charite. Deshalb muß der Bräutigam verkappter
Räuber werden, und der Held einer tragischen Novelle zugleich der
Held ganz artfremder anderer Schicksale sein. Was nach Charite
noch an Frauengestalten kommt, das sind Einzeltypen ohne Rang
und Würde, weltliche, oft allzu weltliche oder auch verbrecherisch
düstere Folie zu ihrem lieblichen Bild, und erdenschwerer Hinter-

1 Kerenyi 177.
 
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