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Otto Weinreich:
'τίς γάρ αγροίκων
ούκ οιόεν "Αττιν λευκόν ώς επηρώθη;
τίς ουκ άπαρχάς οσπρίων τε και σίτων
άγνω φέρων όίόωσι τυμπάνω Ρείης';
Das Tympanon dient sozusagen als Klingelbeutel!1 Leider ist der Rest
nicht im Original erhalten, nur in dürftigem Prosaauszug. Der Esel hat
ausgedient und aus dem Fell des krepierten Grautiers wurde die Haut
für ein Tympanon gegerbt. So bekomme er jetzt mehr Schläge als in
seinem ganzen Leben. So schließt auch Äsop 290 H. (236 Chambry).
Bei Phädrus IV, 1 haben wir das hübsche Detail vom Bettelchorus
nicht, das auch im Äsop nicht steht, aber ein Promythion und
einen Schluß, zu denen ich eine Vermutung Vorbringen möchte.
Qui natus est infelix, non vitam modo
tristem decurrit, verum post obitum quoque
persequitur illum dura fati miseria.
Und als Schluß — die Antwort der Galli auf die Frage, was aus
dem Esel geworden — :
io 'putabat se post mortem securum fore:
ecce aliae plagae congeruntur mortuof
Neu ist da, daß der Esel sich ein besseres Los nach dem Tod
selbst erhofft hatte, und dieser Zug findet sich auch im lateinischen
Äsop des Romulus no. 68 Thiele.2
Wenn wir nun daran denken, daß zum großen Erfolg der
Attisreligion gerade die eschatologischen Verheißungen beitrugen,
die Gewißheit eines leichteren und besseren Lebens, der σωτηρία für
die Mysten, so wird der Verdacht rege, daß durch das Los des
Esels die Verheißung der Mysterienreligion
θαρρείτε μύσται του θεού σεσωσμένου.
εσται γάρ ήμΐν εκ πόνων σωτηρία
ad absurdum geführt werden soll. Mit andern Worten: daß ein
Stückchen parodischer Literatur hier vorliegt. Wenn bei Babrios 163
der Esel, der ein Götterbild trägt, die Proskynese der Vorüber-
gehenden auf sich bezieht, so könnte das im ersten Augenblick
1 Vgl. Hepding 186, 2.
2 Wo statt der Galloi ein negociator Herr des Esels ist; ebenso Ademar 47
(Hervieux II, 138). Thiele, p. CXVIII, erklärt die Variante aus religiöser Scheu
vor den in der Spätantike mächtigen Archigalli oder aus dem Fehlen der Bettel-
priester in den westlichen Provinzen. Auch die säkularisierte Fabel hat noch
Witz, aber wieviel schwächer ist er doch geworden!
Otto Weinreich:
'τίς γάρ αγροίκων
ούκ οιόεν "Αττιν λευκόν ώς επηρώθη;
τίς ουκ άπαρχάς οσπρίων τε και σίτων
άγνω φέρων όίόωσι τυμπάνω Ρείης';
Das Tympanon dient sozusagen als Klingelbeutel!1 Leider ist der Rest
nicht im Original erhalten, nur in dürftigem Prosaauszug. Der Esel hat
ausgedient und aus dem Fell des krepierten Grautiers wurde die Haut
für ein Tympanon gegerbt. So bekomme er jetzt mehr Schläge als in
seinem ganzen Leben. So schließt auch Äsop 290 H. (236 Chambry).
Bei Phädrus IV, 1 haben wir das hübsche Detail vom Bettelchorus
nicht, das auch im Äsop nicht steht, aber ein Promythion und
einen Schluß, zu denen ich eine Vermutung Vorbringen möchte.
Qui natus est infelix, non vitam modo
tristem decurrit, verum post obitum quoque
persequitur illum dura fati miseria.
Und als Schluß — die Antwort der Galli auf die Frage, was aus
dem Esel geworden — :
io 'putabat se post mortem securum fore:
ecce aliae plagae congeruntur mortuof
Neu ist da, daß der Esel sich ein besseres Los nach dem Tod
selbst erhofft hatte, und dieser Zug findet sich auch im lateinischen
Äsop des Romulus no. 68 Thiele.2
Wenn wir nun daran denken, daß zum großen Erfolg der
Attisreligion gerade die eschatologischen Verheißungen beitrugen,
die Gewißheit eines leichteren und besseren Lebens, der σωτηρία für
die Mysten, so wird der Verdacht rege, daß durch das Los des
Esels die Verheißung der Mysterienreligion
θαρρείτε μύσται του θεού σεσωσμένου.
εσται γάρ ήμΐν εκ πόνων σωτηρία
ad absurdum geführt werden soll. Mit andern Worten: daß ein
Stückchen parodischer Literatur hier vorliegt. Wenn bei Babrios 163
der Esel, der ein Götterbild trägt, die Proskynese der Vorüber-
gehenden auf sich bezieht, so könnte das im ersten Augenblick
1 Vgl. Hepding 186, 2.
2 Wo statt der Galloi ein negociator Herr des Esels ist; ebenso Ademar 47
(Hervieux II, 138). Thiele, p. CXVIII, erklärt die Variante aus religiöser Scheu
vor den in der Spätantike mächtigen Archigalli oder aus dem Fehlen der Bettel-
priester in den westlichen Provinzen. Auch die säkularisierte Fabel hat noch
Witz, aber wieviel schwächer ist er doch geworden!