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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0043
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

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liegenden Handwerksburschen zuerst, anderntags den hintenliegenden;
es ist aber wieder der gleiche, weil der andere vorsichtshalber den
Platz gewechselt hatte.1
Mir scheint also bei Martial ein novellistisches Motiv vorzuhegen,
das den Anschein der Tatsächlichkeit durch die Namen erweckt —
aber die gehören ja, im Gegensatz zum Märchen, zur Signatur der
Novelle (und natürlich auch zum Epigramm, das gern konkret wird,
seien die Namen auch fingiert oder typisch) —: Ravenna als Ziel
des Veteranen, Achillas als Name des schlauen Burschen. Die
besondere Zuspitzung des Anschlags — Kastration — ergab sich, wenn
man das Motiv ins Milieu der vagierenden Bettelpriester rückt und
dadurch zur Zeitsatire, zur religiösen Satire werden läßt. Zweifellos
hat man solche Dinge als Geschehnisse berichtet und geglaubt —
die Kybelepriester hatten manches auf dem Gewissen, da konnte
man ihnen auch diesen Fall Zutrauen. Die S. 42, A. 6 erwähnte Fabel
von dem Ehemann, der in blindem Eifer seinen Sohn ersticht (III,
10), hat mancherlei Parallelen in der Novellistik2, Phädrus aber
gibt sie als zeitgenössisches Ereignis aus:

C. Die Prometheusfabelu des Pliädrus IY, 14 (15) und
15 (16) und folkloristische Sexual-Ätiologien.
Eine Besprechung der Prometheusfabeln stellteTmELE, Hermes 41,
1906, 571, A. 3 in Aussicht, der Plan gelangte leider nicht mehr
zur Ausführung. Es ist begreiflich bei der Rolle des Prometheus
als Bildner von Menschen und Tieren, daß er als αίτιος für manche
auffallende Erscheinungen gilt. Das ätiologische Bedürfnis der
Menschen, die wissen wollen, wie dies oder jenes entstand, warum
dies oder jenes so und nicht anders ist, hat sich der Form von
Fabeln nicht weniger oft bedient als der Form des mythologischen
Aition. Daher die beträchtliche Rolle des Prometheus in der Fabel.
An Prometheus wendet sich der unzufriedene Löwm.3 Prometheus
hat, allerdings auf Weisung des Zeus, fertige Tierfiguren zerschlagen
und Menschen daraus gemacht '— diejenigen eben mit tierischen
Eigenschaften.4 Er hat den Menschen die beiden Ranzen mit den

1 Weiteres Material bei Bolte-Polivka.
2 Rohde, Roman 3 595; Thiele, Hermes 43, 1908, 368.
3 Äsop 261 H. (210 Chambry.)
4 Äsop 383 H. (322 Chambry.)
 
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