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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0046
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Otto Weinreich :

antwortlich machte. Lediglich in dieser generellen Ätiologie ver-
rät sie sich als Analogiebildung zu der Phädrusfabel. Wir werden
nachher sehen, daß auch in ungelehrter Umgebung — bei Primitiven
— solche Fragen nach der Entstehung von σχήματα Αφροδίτης ge-
stellt wurden.
Phädrus’ zweites Stück dieser Art erklärt die Homosexualität.1
Tribaden und Päderasten gibt es, weil Prometheus, nachdem er
einen ganzen Tag lang separaten nur diejenigen Teile gebildet hatte,
veste quas celat pudor, einer Einladung des Liber folgte und zu viel
Nektar trank. Nachher machte er lauter Konfusion (IV, 15, 9ff.):
ubi inrigatus multo venas nedare
sero donium est reversus titubanti pede.
tum semisomno corde et errore ebrio
adplicuit virginale generi masculo,
et masculina membra adposuit feminis.2
ita nunc libido pravo fruitur gaudio.
Äsop kennt sich in allen Seiten des Menschenlebens aus, auch
in den abwegigen; deshalb erscheint er III, 3 als der gegebene
Erklärer für die menschenköpfigen Lämmer, und gibt an, wie der
Bauer seinen Hirten die Sodomie abgewöhnen kann. Er gibt auch
an, wie man die moeclia IV, 5 am besten behandelt. Doch fehlt
in der Fabel auch der edle Έρυυς nicht: Äsop 142 (aus Himerios X, 6).
Damit hätten wir nun in der Fabel die wichtigsten Aspekte des
empirisch Gegebenen im Menschenleben: der natürliche, der mann-
männliche und weibweibliche Eros. Auch Aristophanes in Platons
Symposion fragt nach dem αίτιον dieser drei Verhaltungsweisen und
gibt seine Antwort. Sie ist anders als die der Fabeln, aber auch
Aristophanes führt sie in der Form eines Mythenmärchens, mit
Anklängen an den Götterschwank vor, freilich auch mit der unver-
gleichlich großartigen Tiefe und Bedeutsamkeit, wie sie eben nur
ein platonischer Aristophanes zu geben vermag. In seinen Mythos
1 So richtig Wienert 177; irrig Bapp (Roscher III, 3075) „Entstehung des
Hermaphroditen “.
2 Man muß in der Erzählung ein Zwischenglied ergänzen: der Schaffung
der Genitalien war vorausgegangen die serienmäßige Herstellung von Leibern ohne
diese (vgl. hierzu unten S. 48). Diese Leiber hatten aber schon ihre innerliche
Natur; no. 1 z. B. sollte ein Mann werden, bekommt aber aus Versehen ein
pudendum muliebre, ergo wird es ein Mannweib, usw. Daran, daß der zum Weib
bestimmte Körper eigentlich Brüste gehabt haben müsse, wird gar nicht gedacht;
die typische Bildung des Hermaphroditen ist ganz fern zu halten. Das Thema ist
ja genau fixiert: tribades, molles mar es.
 
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