Fabel, Aretalogie, Novelle.
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B. Texte und Kommentar.
(Die synoptisch nebeneinandergestellten Texte siehe S. 60—65. Im Kommentar ist
P. = Petron, Pli. = Phädrus, Pom. I = Romulus, Recensio Gallieana, Rom. II
= Romulus, Recensio vetus.)
P. 110, 6: Eumolp hat auch die Geschichte vom Epheben in Pergamon — als
eigenes Erlebnis — erzählt. Darf die Identität des Erzählers literarhistorisch so
gedeutet werden, daß beide Novellen der gleichen Quelle entstammen? —
fabula Gattungsbezeichnung; vgl. Reitzenstein, Das Märchen von Amor und
Psyche 51 f.; Schissel von Fleschenberg, Die griech. Novelle (Rhetor. Forsch. II)
passim. Zur Einführung der Einlage vgl. Petron 61, 4: hüaria mera sint . . .
narrabo . . . talem fabulam exorsus est. Auch ohne jeden didaktisch-morali-
sierenden Zweck sind diese fctbulae Unterhaltungswürze. Apul. met. I, 1:
sermone isto Milesio fabula-s consercim . . . fabulam Graecanicam incipimus.
lector intende: laetaberis. Durch exempla will corrigere und durch narrandi
iocus will aurern capere Phädr. II prol. — So dient die fabula von der Matrone
der hilaritas, zugleich aber als exemplum für muliebris levitas. Man sieht gut
den „Sitz im Leben“ für solche Geschichten, zugleich aber auch das „Stich-
wort“, das die Novellensammlung selbst dem Fabel-Sammler oder Sammler von
Exempla zu moralisierendem Zweck an die Hand gab.
P. 110, 7: füiorum nicht zu ändern (bester Vorschlag Heinsius’ philorum): die
Frauen denken nicht daran, daß sie schon (erwachsene) Söhne haben, vor denen
sie sich schämen müßten.
P. 110, 8: Gerühmten exempla wie Phädra, Stheneboia, Klytämnestra u. a. sowie
„Beispielen aus der Geschichte“ werden — als besser beglaubigt und zug-
kräftiger — zeitgeschichtliche entgegengestellt. So schon bei Aristoph. Thes-
moph. 466ff. neben den euripideischen Weibergeschichten die von Mnesilochos
berichteten, die z. T. auch in die Weltliteratur eingegangen sind, Rohde, Rom.3, 594.
Mit ev τι τών καθ’ ήμας έτη Καίσαρος ΟύεσπασιανοΟ γεγονότων όιελθεΐν beginnt
Plut. amat. 24, 770 D die Epponinageschicbte. — si vellemus audire, urbane
Wendung des geschmackvollen Erzählers; obwohl auch Theophrasts λάλος
(char. 7, 2) zum Hörer sagt: άν άκούρ αυτοΰ, μαθήσεται. Der grobe Trimalchio
dagegen 63, 2 drängt sich vor: nam et ipse vobis rem horribilem narrabo.
Formelhaftes aus Märcheneinführungen: „Soll ich euch erzählen oder nicht?“;
„Hört zu, wenn ihr wollt, ihr sollt eine hübsche Geschichte vernehmen“; „Ick
weet een Meercken, will gy se hören, ick will se ju seggen“; „Na, denn wirk
mal ’n Geschieht vertelln“; vgl. J. Bolte, Name und Merkmale des Märchens
(F F C 36), S. 19, 2; 20, und Bolte-Polivka, Anm. zu Grimms KHM IV, 15ff. —
Zum Schlußsatz Petrons: der spannungerweckende Schluß braucht nicht Parodie
zu sein von Virg. Aen. IV, lf.: conticuere omnes intentique ora tenebant; inde
toro pater Aeneas sic orsus ab alto. — Rom.: unter dem „Autor der Moralität“
ist Äsop zu verstehen.
(Fortsetzung des Kommentars S. 66.)
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B. Texte und Kommentar.
(Die synoptisch nebeneinandergestellten Texte siehe S. 60—65. Im Kommentar ist
P. = Petron, Pli. = Phädrus, Pom. I = Romulus, Recensio Gallieana, Rom. II
= Romulus, Recensio vetus.)
P. 110, 6: Eumolp hat auch die Geschichte vom Epheben in Pergamon — als
eigenes Erlebnis — erzählt. Darf die Identität des Erzählers literarhistorisch so
gedeutet werden, daß beide Novellen der gleichen Quelle entstammen? —
fabula Gattungsbezeichnung; vgl. Reitzenstein, Das Märchen von Amor und
Psyche 51 f.; Schissel von Fleschenberg, Die griech. Novelle (Rhetor. Forsch. II)
passim. Zur Einführung der Einlage vgl. Petron 61, 4: hüaria mera sint . . .
narrabo . . . talem fabulam exorsus est. Auch ohne jeden didaktisch-morali-
sierenden Zweck sind diese fctbulae Unterhaltungswürze. Apul. met. I, 1:
sermone isto Milesio fabula-s consercim . . . fabulam Graecanicam incipimus.
lector intende: laetaberis. Durch exempla will corrigere und durch narrandi
iocus will aurern capere Phädr. II prol. — So dient die fabula von der Matrone
der hilaritas, zugleich aber als exemplum für muliebris levitas. Man sieht gut
den „Sitz im Leben“ für solche Geschichten, zugleich aber auch das „Stich-
wort“, das die Novellensammlung selbst dem Fabel-Sammler oder Sammler von
Exempla zu moralisierendem Zweck an die Hand gab.
P. 110, 7: füiorum nicht zu ändern (bester Vorschlag Heinsius’ philorum): die
Frauen denken nicht daran, daß sie schon (erwachsene) Söhne haben, vor denen
sie sich schämen müßten.
P. 110, 8: Gerühmten exempla wie Phädra, Stheneboia, Klytämnestra u. a. sowie
„Beispielen aus der Geschichte“ werden — als besser beglaubigt und zug-
kräftiger — zeitgeschichtliche entgegengestellt. So schon bei Aristoph. Thes-
moph. 466ff. neben den euripideischen Weibergeschichten die von Mnesilochos
berichteten, die z. T. auch in die Weltliteratur eingegangen sind, Rohde, Rom.3, 594.
Mit ev τι τών καθ’ ήμας έτη Καίσαρος ΟύεσπασιανοΟ γεγονότων όιελθεΐν beginnt
Plut. amat. 24, 770 D die Epponinageschicbte. — si vellemus audire, urbane
Wendung des geschmackvollen Erzählers; obwohl auch Theophrasts λάλος
(char. 7, 2) zum Hörer sagt: άν άκούρ αυτοΰ, μαθήσεται. Der grobe Trimalchio
dagegen 63, 2 drängt sich vor: nam et ipse vobis rem horribilem narrabo.
Formelhaftes aus Märcheneinführungen: „Soll ich euch erzählen oder nicht?“;
„Hört zu, wenn ihr wollt, ihr sollt eine hübsche Geschichte vernehmen“; „Ick
weet een Meercken, will gy se hören, ick will se ju seggen“; „Na, denn wirk
mal ’n Geschieht vertelln“; vgl. J. Bolte, Name und Merkmale des Märchens
(F F C 36), S. 19, 2; 20, und Bolte-Polivka, Anm. zu Grimms KHM IV, 15ff. —
Zum Schlußsatz Petrons: der spannungerweckende Schluß braucht nicht Parodie
zu sein von Virg. Aen. IV, lf.: conticuere omnes intentique ora tenebant; inde
toro pater Aeneas sic orsus ab alto. — Rom.: unter dem „Autor der Moralität“
ist Äsop zu verstehen.
(Fortsetzung des Kommentars S. 66.)