Metadaten

Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0068
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6S

Otto Weinreich:

Äsop 109: Γυνή τις, προσφάταις τόν έαυτής ανδρα θάψασα, καθ’ ημέραν
άττιοΰσα ιτρός τό μνημεΐον έθρήνει.
Ρ. 111, 4. Die Magd wird von Pli. erst v. 12f. erwähnt, ihre Rolle stark ab-
geschwächt; Rom. schaltet sie ganz aus, ivas zu Unklarheiten führt. Wie die
Ammen und Duennas der neueren Novellistik hat auch im Altertum die Magd
oft die Aufgabe, die Handlung vorwärts zu treiben, zumal bei Verführungen,
vgl. meinen Trug des Nektanebos 21. Zur „Vertrautenrolle in der griech. Trag.“
vgl. Ahlers, Diss. Gießen 1911. Auch Charite hat (wie Heldinnen bei Parthen.
narrat. amat. 13; 21; Anton. Lib. 1; 34; 39; öfters bei Ovid) ihre nutrix, anus
blandiens, die Thrasyllus, der nicht weiß, wie ihm mitgespielt werden soll, zu-
nächst für eine Verbündete halten muß, Apul. VIII lOf. Thiele 366 findet die
Anwesenheit der Magd bei Petron schlecht motiviert — mit Unrecht. Denn
erstens gehört sie zum Repertoire der Novellistik. Zweitens ist ihre Aufgabe
auch sachlich und psychologisch verständlich. Ihre Herrin ist zwar zum Sterben
entschlossen, aber die Dunkelheit der Gräbernacht ist ihr doch unheimlich, also
muß die Magd Öl beschaffen, wenn die Lampe ausgeht, λύχνων γάρ όσμάς
ού φιλοϋσι δαίμονες sagt der Komiker Platon (I 648 K.). Außerdem verlangt
der Totenkult die brennende Grablampe, vgl. Nilsson, GGA. 1916, 51 ff.; Hug,
RE. XIII 1568f. Damit ist auch Thieles Anstoß S. 367 behoben: diese Gründe
für das Beschaffen des Öls waren jedem antiken Leser auch ohne ausdrückliche
Motivierung verständlich. — P. 111, 5. Zu exemplum vgl. oben S. 59, zu Im-
perator provinciae (nur hei P.!) oben S. 55. — Für latrones ist Kreuzigungs-
strafe namentlich im provinzialen Regiment bekannt, vgl. Hitzig, RE. IV, 1729f.
und oben S. 54. — P. 111, 6. Zum Text: meist wird das erste et eingeklammert;
Gurlitt schreibt (statt sibi et) scilicet. Sollte nicht eher audisset alte Inter-
polation sein und zusammengehören notasset sibi et lumen ... et gemitum
lugentis? Daher die voran gestellte vox media, von der eine optische und
akustische Sinneswahrnehmung abhängt? — Die Version des Pli. und Rom.
verlangt sorgsame Prüfung. Militärische Bewachung von Gekreuzigten kennen
wir, wie oben S. 54 gesagt, nur aus unserem Fall und dem NT. Um gewöhn-
liche Räuber wird es sich also nicht handeln. Die Bewachung soll Abnahme
des Gekreuzigten durch Angehörige verhindern, d. h. der Verbrecher soll um
die kultischen Grabehren kommen, seine Seele nicht Ruhe finden; τό μή ταφήναι
war schon im attischen Recht Strafverschärfung, vgl. hierüber, auch mit Ana-
logien aus Neugriechenland, Keramopullos a. a. 0. 99 ff. War das Verbrechen
der latrones Tempelraub (wegen dieses Vergehens ließ Xanthippos den Artayktes
kreuzigen, Herodot IX 120), dann versteht man die außerordentliche Maßnahme
besser. Sonach möchte ich bei Ph. nicht Zudichtung, sondern Rest des Alten
erblicken. Weist nicht die Formulierung des Rom. auf Nachklang des Prozesses?
Vielleicht ist es erlaubt, die drei Besonderheiten der Quellen — Imperator
provinciae bei P., Tempelraub bei Ph., Gerichtsverfahren bei Rom. — zu einer
Maximalfassung zusammenzufassen und der Vorlage zuzuweisen. Die größte
Gedankenlosigkeit des Pli. 9 ist die, daß er, wie schon Thiele 365 f. betonte,
von mehreren custocles spricht. Der Raub der Leiche setzt doch voraus, daß
nur einer Posten steht und dieser gerade im Hypogeum weilt. Rom. hat,
konform dem einen miles, auch nur einen Gekreuzigten; Thiele 366 fragt, ob
das vielleicht die Urform repräsentiert. — Dem Soldaten in der Nähe des Grabes
entspricht in der Äsopfabel der άροτριών δε τις ού ιτόρρω του μνήματος. —
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften