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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0046
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Carl Brinkmann:

schäften, Hypothekenbücher usw. von einem Gerichtshöfe an den
andern über. Kein Wunder, daß alles verschleppt und durchein-
andergeworfen wurde . . . Die neuen Regierungen wurden nun auch
an neuen Plätzen eingerichtet. Da mußten denn neue Gebäude
aufgeführt oder alte aufgekauft und verändert, die größten Bureau-,
Registratur- und Versammlungslokale eingerichtet, auch Dienst-
wohnungen für die Herren Präsidenten angeschafft und möbliert
werden . . . Soll einmal eine ordentliche Justiz im Lande eingeführt
werden, so wird das Erste sein müssen, die gänzliche Absonderung,
die gewissermaßen feindselige Stellung aufzuheben, in welcher die
Justizpersonen gegen die übrigen Staatsbürger stehen. Hierzu
scheint nichts ersprießlicher zu sein, als öffentliches mündliches Ver-
fahren und der Urteilsspruch durch Geschworene, denn alsdann ist
dem Volke Eintritt und Kontrolle gegeben bei dem, was jetzt hinter
einem Vorhang verhandelt wird — und die jetzige grenzenlose
Faulheit der Justizpersonen muß mit einem Male aufhören . . .
Der Zeitgeist setzte einen zu großen Wert auf eine sog. wissenschaft-
liche Bildung, die doch nur bei sehr wenigen Individuen eine wirk-
lich wissenschaftliche ist, bei den meisten hingegen nur eine an-
gelernte Verderbnis. Man erkannte noch nicht, daß die wirklich
brave und tüchtige Gesinnung, auf welcher das Heil der Völker
beruht, nicht besteht in vielem Erlernten, sondern in der Gewöh-
nung, immer recht und ehrliebend zu handeln. Ob nun zwar eine
wirklich durchgeführte wissenschaftliche Bildung gerade dahin
führt, so ist doch die große Masse der Jünglinge, die dem Namen
nach studiert, nicht auf diesem Wege, sondern sie sucht nur . . .
ein bequemeres Auskommen, als durch ihrer Hände Arbeit. Da
man nun denen, welche, eben weil sie studierten, nur ein Jahr zu
dienen brauchten, auch zugleich die nächsten Aussichten auf Offizier-
stellen in der Landwehr eröffnete, so tat man offenbar zu viel . . .
Man verordnete, daß bei den Regierungen keine neuen Anstellungen
geschehen und keine neuen Gehalte gegeben werden sollten. Diese
wußten sich aber sehr gut zu helfen, indem sie für sogenannte extra-
ordinäre Arbeiten extraordinäre Vergütigungen zahlten und Diä-
tarien anstellten. Zwei von meinen Leuten waren Kopisten bei der
hiesigen Regierung [Frankfurt a. d. 0.] geworden. Der eine be-
kömmt seit vier Jahren 1 Thaler 8 Groschen, der andere seit drei
Jahren 1 Thaler täglich. Ein Unteroffizier vom Brandenburgischen
Ulanen-Regiment, der einen Bruder-Kopisten hier hat, ward ganz
kürzlich mit 16 Groschen hier angestellt. Das sind also Gehalte
 
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