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Carl Brinkmann:
Justizminister Simeon die Autonomie der Universitäten und Stu-
denten bekämpfte92 und den Göttinger Studenten den Eintritt in
die dort neu gegründete Loge verbot, beging 1808 die Einbürge-
rung von etwa 300000 jüdischen Untertanen mit einem synago-
galen Festakt in Gegenwart des Hofes, wogegen selbst Napoleon
Einspruch erhob93. Angeblich hatte sie diese Rechtsverleihung mit
einer von den Juden aufgebrachten Schenkung oder Anleihe von
2 Millionen Gulden zu verbinden gewußt. Dennoch konnte sie der
Präsident des jüdischen Konsistoriums des Königreichs, der Ge-
heime Finanzrat Israel Jacobsohn, auf die noch gründlichere
Emanzipation der Frankfurter Juden verweisen94. Und der Groß-
herzog Dalberg scheint in der Tat den Kreisen des deutsch-uni-
tarischen Nationalismus auch in dieser Beziehung besonders an-
stößig gewesen zu sein. ,,lm Großherzogtum Frankfurt,“ schrieb
1814 Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, Steins Haupt-
mitarbeiter, in jenem halbamtlichen Bericht über „die Zentral-
verwaltung der Verbündeten unter dem Freiherrn vom Stein“,,
„wurden die Minister und Staatsräte, zahlreich genug, um einen
Staat von 10 Millionen Menschen zu regieren, mit Ausnahme von
Albini und einigen anderen Staatsräten eine aus Judentum und
Franztum aufgerichtete Pyramide, an deren Spitze der Baron
Bentzel-Sternau[s. ob. Anm. 39] glänzte,von dem Fluche über ihre
Raubgier und über ihre Freiheit zu jeder Bestechung beladen, wohl
mit unverdienter Schonung aus deutscher Gutmütigkeit mit einer
Pension entfernt95“. Ein anderer, zahlenmäßig mehr als geistig"
bedeutungsvoller Brennpunkt der Emanzipation im Osten war das
napoleonische Herzogtum Warschau, wo freilich schon die juden-
freundliche Politik Kaiser Josefs II. und König Friedrich Wil-
helms II. von Preußen96 vorgearbeitet hatte. Entscheidend blieben
doch die großen Städte. Auch von Frankfurt, von Hamburg (wo
92 Ygl. S. A. Kaehler, Philipps-Univ. zu Marburg (1927) 485: ,,Je ne
puis concevoir la necessite d’accorder a cet egard aux etudiants une garantie
speciale que n’accorderoit pas la justice.“
93 P. Kleinschmidt, Kgr. Westfalen (Gotha 1893) 156ff.
94 Granier a. a. O. 147.
95 R. Sci-iwemer, Gesch. der Freien Stadt Frankfurt 1 (Fkft. 1910), 328.
Der Gründer des „Hoffmannschen Bundes“ 1815 war, was F. Meinecke, Die
deutschen Gesellschaften (Stg. 1891) 17 nicht sagt, SoLMs’scher standes-
herrlicher Beamter.
96 Vgl. die Judenordnungen für Breslau 1790 und für Süd- und Neu-
ostpreußen von 1797 bei Rönne-Simon a. a. O. 225ff., 292ff.
Carl Brinkmann:
Justizminister Simeon die Autonomie der Universitäten und Stu-
denten bekämpfte92 und den Göttinger Studenten den Eintritt in
die dort neu gegründete Loge verbot, beging 1808 die Einbürge-
rung von etwa 300000 jüdischen Untertanen mit einem synago-
galen Festakt in Gegenwart des Hofes, wogegen selbst Napoleon
Einspruch erhob93. Angeblich hatte sie diese Rechtsverleihung mit
einer von den Juden aufgebrachten Schenkung oder Anleihe von
2 Millionen Gulden zu verbinden gewußt. Dennoch konnte sie der
Präsident des jüdischen Konsistoriums des Königreichs, der Ge-
heime Finanzrat Israel Jacobsohn, auf die noch gründlichere
Emanzipation der Frankfurter Juden verweisen94. Und der Groß-
herzog Dalberg scheint in der Tat den Kreisen des deutsch-uni-
tarischen Nationalismus auch in dieser Beziehung besonders an-
stößig gewesen zu sein. ,,lm Großherzogtum Frankfurt,“ schrieb
1814 Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, Steins Haupt-
mitarbeiter, in jenem halbamtlichen Bericht über „die Zentral-
verwaltung der Verbündeten unter dem Freiherrn vom Stein“,,
„wurden die Minister und Staatsräte, zahlreich genug, um einen
Staat von 10 Millionen Menschen zu regieren, mit Ausnahme von
Albini und einigen anderen Staatsräten eine aus Judentum und
Franztum aufgerichtete Pyramide, an deren Spitze der Baron
Bentzel-Sternau[s. ob. Anm. 39] glänzte,von dem Fluche über ihre
Raubgier und über ihre Freiheit zu jeder Bestechung beladen, wohl
mit unverdienter Schonung aus deutscher Gutmütigkeit mit einer
Pension entfernt95“. Ein anderer, zahlenmäßig mehr als geistig"
bedeutungsvoller Brennpunkt der Emanzipation im Osten war das
napoleonische Herzogtum Warschau, wo freilich schon die juden-
freundliche Politik Kaiser Josefs II. und König Friedrich Wil-
helms II. von Preußen96 vorgearbeitet hatte. Entscheidend blieben
doch die großen Städte. Auch von Frankfurt, von Hamburg (wo
92 Ygl. S. A. Kaehler, Philipps-Univ. zu Marburg (1927) 485: ,,Je ne
puis concevoir la necessite d’accorder a cet egard aux etudiants une garantie
speciale que n’accorderoit pas la justice.“
93 P. Kleinschmidt, Kgr. Westfalen (Gotha 1893) 156ff.
94 Granier a. a. O. 147.
95 R. Sci-iwemer, Gesch. der Freien Stadt Frankfurt 1 (Fkft. 1910), 328.
Der Gründer des „Hoffmannschen Bundes“ 1815 war, was F. Meinecke, Die
deutschen Gesellschaften (Stg. 1891) 17 nicht sagt, SoLMs’scher standes-
herrlicher Beamter.
96 Vgl. die Judenordnungen für Breslau 1790 und für Süd- und Neu-
ostpreußen von 1797 bei Rönne-Simon a. a. O. 225ff., 292ff.