Jungfrauensohn und Krippenkind.
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hannes, Lukas 1, 5—25, 57—66a. Denn der Hymnus des Zacharias
1, 67—79, der die Geschichte abschließt, ist ein Überhang, ein
eschatologischer Hymnus, auf den Täufer nur mit einem nach-
getragenen Schlußwort deutend, keinesfalls ein Glied der Geburts-
geschichte, die bereits mit der ahnungsvollen Frage geschlossen hat:
„Was wird aus diesem Kinde werden1 ?“ Und die Geschichte von
dem Besuch der Maria bei Elisabeth ist nur zu begreifen auf Grund
der vorhergehenden christlichen Marien-Verkündigung (siehe 1, 45);
sie ist also überhaupt nicht selbständig, keinesfalls eine Täufer-
geschichte und übrigens, wie sich zeigen wird, überhaupt kein altes
Traditionsstück.
Wohl aber hat die Erzählung von der Zacharias-Verkündigung
und der Geburt des Täufers Eigenform und Eigenwert, Rundung,
Stil und, Pointe. Beide Berichte hängen zusammen und bilden eine
echte Personallegende, die die Bedeutung ihres Helden an den
Ereignissen seiner Erzeugung und Geburt darstellt. Die Verkün-
digung im Tempel erinnert in ihren Voraussetzungen an die alt-
testamentlichen Gestalten Abrahams, Manoahs und seiner Frau,
der Eltern Simsons, und Hannas, der Mutter Samuels; mit dem
Vorgang selbst, einer Erscheinung im Tempel, läßt sich eine jüdische
Legende von Simeon dem Gerechten (ca. 300 v. Chr.) vergleichen,
die im babylonischen Talmud, Traktat Joma 39b (und im palä-
stinensischen Talmud Joma 5, 42c) überliefert ist. Danach geht
an jedem Versöhnungstag ein weißgekleideter Greis mit dem Helden
der Geschichte ins Allerheiligste und kommt wieder mit ihm heraus.
Als der Greis eines Jahres schwarzgekleidet erscheint und nicht
mit zurückkehrt, weiß Simeon, daß er sterben muß. Die Johannes-
geschichte hält sich also durchaus im Bereich der jüdischen Legende;
das zeigt sich erst recht an dem Hauptstück des Ganzen, der An-
kündigung des Johannes. Ein Sohn soll dem Zacharias geboren
werden, ihm und „vielen“ zur Freude, und soll Johannes genannt
werden; er wird als heiliger Mann Israels geschildert. Das wird
verkündet nicht im Rahmen einer Messias-Weissagung, sondern mit
1 Die Naht hinter diesen Worten ist offenbar. Der Satz καί γάρ χειρ
κυρίου ήν μετ’αύτοΰ führt als allgemeine auf die folgende Zeit sich erstreckende
Bemerkung aus der Erzählung heraus; der Hymnus des Zacharias aber wird
angestimmt in dem eben geschilderten Augenblick und ist gemeint als Aus-
führung von 1, 64 καί έλάλει ευλογών τον θεόν. Er führt also wieder in die Er-
zählungssituation hinein. — Wenn der abendländische Text (D, it, syrsin) bietet
καί γάρ χειρ κυρίου μετ’ αύτοϋ, so sind die Worte zur Fortsetzung jener Frage
geworden, und D hat hier wie so oft Nähte unsichtbar gemacht.
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hannes, Lukas 1, 5—25, 57—66a. Denn der Hymnus des Zacharias
1, 67—79, der die Geschichte abschließt, ist ein Überhang, ein
eschatologischer Hymnus, auf den Täufer nur mit einem nach-
getragenen Schlußwort deutend, keinesfalls ein Glied der Geburts-
geschichte, die bereits mit der ahnungsvollen Frage geschlossen hat:
„Was wird aus diesem Kinde werden1 ?“ Und die Geschichte von
dem Besuch der Maria bei Elisabeth ist nur zu begreifen auf Grund
der vorhergehenden christlichen Marien-Verkündigung (siehe 1, 45);
sie ist also überhaupt nicht selbständig, keinesfalls eine Täufer-
geschichte und übrigens, wie sich zeigen wird, überhaupt kein altes
Traditionsstück.
Wohl aber hat die Erzählung von der Zacharias-Verkündigung
und der Geburt des Täufers Eigenform und Eigenwert, Rundung,
Stil und, Pointe. Beide Berichte hängen zusammen und bilden eine
echte Personallegende, die die Bedeutung ihres Helden an den
Ereignissen seiner Erzeugung und Geburt darstellt. Die Verkün-
digung im Tempel erinnert in ihren Voraussetzungen an die alt-
testamentlichen Gestalten Abrahams, Manoahs und seiner Frau,
der Eltern Simsons, und Hannas, der Mutter Samuels; mit dem
Vorgang selbst, einer Erscheinung im Tempel, läßt sich eine jüdische
Legende von Simeon dem Gerechten (ca. 300 v. Chr.) vergleichen,
die im babylonischen Talmud, Traktat Joma 39b (und im palä-
stinensischen Talmud Joma 5, 42c) überliefert ist. Danach geht
an jedem Versöhnungstag ein weißgekleideter Greis mit dem Helden
der Geschichte ins Allerheiligste und kommt wieder mit ihm heraus.
Als der Greis eines Jahres schwarzgekleidet erscheint und nicht
mit zurückkehrt, weiß Simeon, daß er sterben muß. Die Johannes-
geschichte hält sich also durchaus im Bereich der jüdischen Legende;
das zeigt sich erst recht an dem Hauptstück des Ganzen, der An-
kündigung des Johannes. Ein Sohn soll dem Zacharias geboren
werden, ihm und „vielen“ zur Freude, und soll Johannes genannt
werden; er wird als heiliger Mann Israels geschildert. Das wird
verkündet nicht im Rahmen einer Messias-Weissagung, sondern mit
1 Die Naht hinter diesen Worten ist offenbar. Der Satz καί γάρ χειρ
κυρίου ήν μετ’αύτοΰ führt als allgemeine auf die folgende Zeit sich erstreckende
Bemerkung aus der Erzählung heraus; der Hymnus des Zacharias aber wird
angestimmt in dem eben geschilderten Augenblick und ist gemeint als Aus-
führung von 1, 64 καί έλάλει ευλογών τον θεόν. Er führt also wieder in die Er-
zählungssituation hinein. — Wenn der abendländische Text (D, it, syrsin) bietet
καί γάρ χειρ κυρίου μετ’ αύτοϋ, so sind die Worte zur Fortsetzung jener Frage
geworden, und D hat hier wie so oft Nähte unsichtbar gemacht.