η
Martin Dibelius:
denken, zumal wenn das Tier gar nicht ein Schaf, sondern ein Hund
sein sollte1. Mithras würde dann nicht nur mit dem Werkzeug der
heilbringenden Stiertötung geboren, dem Messer, sondern es wären
auch Gefährte und Spürhund alsbald zur Stelle. Zum mindesten
aber kann diese vereinzelte Szene nicht die epische Zusammen-
gehörigkeit der anderen Hirten mit der Felsgeburt beweisen.
Ich möchte in der Deutung jener Reliefs noch einen Schritt
weiter gehen. Es scheint mir überhaupt fraglich zu sein, ob wir
diese Bilderfriese in genau derselben Weise episch zu verstehen
haben, wie die Szenen auf den vielteiligen, ganz offensichtlich der
Erzählung dienenden Denkmälern der Rheingruppe. Zu dieser
Skepsis veranlaßt den Betrachter die Verschiedenartigkeit, in der
die einzelnen Bilder einander folgen. Es wurde schon erwähnt, daß
der liegende Bärtige („Okeanos“) einmal den Hirten von der Herde
trennt (204). Es wäre hinzuzufügen, daß dieser Liegende, auf einem
allerdings sehr fragmentarisch erhaltenen Denkmal (173), unmittel-
bar neben der Hütte zu sehen ist. Diese Hütte scheint sich auch
zwischen die Personen der Schützenszene schieben zu können (194.
195). Der Stier im Nachen endlich -— sonst in der regelmäßigen
Bilderfolge links von der Hütte, als Bild des vom Himmel zur Erde
gebrachten Tieres — kommt auch rechts von der Hütte vor, das
eine Mal über dem Herdentier (172), das andere Mal in der Mitte der
Bilderreihe, während der Stier in der Hütte zugleich in der linken
Ecke zu sehen ist (214). Bei dieser Bilderreihe scheint es überhaupt
nicht in demselben Grade wie bei den anderen Darstellungen (Fang
und Tötung des Stiers, Bund mit dem Sonnengott, Auffahrt) auf
Handlung anzukommen. Es ist doch auffallend, daß niemals der
Versuch gemacht wird zu zeigen, ob und wie Mithras den Stier
in den Nachen verfrachtet. Und wenn, wie es wahrscheinlich ist,
Mithras mit einem Helfer einen Angriff auf die Hütte macht, um
den Stier herauszuholen, so ist auch diese Szene sehr selten an-
gedeutet: auf einem Denkmal reckt Mithras seinen Arm gegen das
Dach der Hütte (188), auf einem anderen berührt er das Dach mit
einem länglichen Gegenstand, einem Stock oder einer Fackel (192
bis); in der ganz anders gearteten Bilderreihe des großen Saar-
burger Denkmals endlich scheint Mithras (in der rechten Ecke des
oberen Frieses) Ähnliches am Dach der Hütte zu verüben, nur ist
1 Gressmann, Mithras der Rinderdieb, Dtsch. Lit. Zeitung 1923, 79ff.,
neigt zu dieser Vermutung, fügt aber hinzu: ,,ein Hirt könnte ihm den (den
Hund) zugeführt und ihm zugleich Früchte gebracht haben“ (Sp. 82).
Martin Dibelius:
denken, zumal wenn das Tier gar nicht ein Schaf, sondern ein Hund
sein sollte1. Mithras würde dann nicht nur mit dem Werkzeug der
heilbringenden Stiertötung geboren, dem Messer, sondern es wären
auch Gefährte und Spürhund alsbald zur Stelle. Zum mindesten
aber kann diese vereinzelte Szene nicht die epische Zusammen-
gehörigkeit der anderen Hirten mit der Felsgeburt beweisen.
Ich möchte in der Deutung jener Reliefs noch einen Schritt
weiter gehen. Es scheint mir überhaupt fraglich zu sein, ob wir
diese Bilderfriese in genau derselben Weise episch zu verstehen
haben, wie die Szenen auf den vielteiligen, ganz offensichtlich der
Erzählung dienenden Denkmälern der Rheingruppe. Zu dieser
Skepsis veranlaßt den Betrachter die Verschiedenartigkeit, in der
die einzelnen Bilder einander folgen. Es wurde schon erwähnt, daß
der liegende Bärtige („Okeanos“) einmal den Hirten von der Herde
trennt (204). Es wäre hinzuzufügen, daß dieser Liegende, auf einem
allerdings sehr fragmentarisch erhaltenen Denkmal (173), unmittel-
bar neben der Hütte zu sehen ist. Diese Hütte scheint sich auch
zwischen die Personen der Schützenszene schieben zu können (194.
195). Der Stier im Nachen endlich -— sonst in der regelmäßigen
Bilderfolge links von der Hütte, als Bild des vom Himmel zur Erde
gebrachten Tieres — kommt auch rechts von der Hütte vor, das
eine Mal über dem Herdentier (172), das andere Mal in der Mitte der
Bilderreihe, während der Stier in der Hütte zugleich in der linken
Ecke zu sehen ist (214). Bei dieser Bilderreihe scheint es überhaupt
nicht in demselben Grade wie bei den anderen Darstellungen (Fang
und Tötung des Stiers, Bund mit dem Sonnengott, Auffahrt) auf
Handlung anzukommen. Es ist doch auffallend, daß niemals der
Versuch gemacht wird zu zeigen, ob und wie Mithras den Stier
in den Nachen verfrachtet. Und wenn, wie es wahrscheinlich ist,
Mithras mit einem Helfer einen Angriff auf die Hütte macht, um
den Stier herauszuholen, so ist auch diese Szene sehr selten an-
gedeutet: auf einem Denkmal reckt Mithras seinen Arm gegen das
Dach der Hütte (188), auf einem anderen berührt er das Dach mit
einem länglichen Gegenstand, einem Stock oder einer Fackel (192
bis); in der ganz anders gearteten Bilderreihe des großen Saar-
burger Denkmals endlich scheint Mithras (in der rechten Ecke des
oberen Frieses) Ähnliches am Dach der Hütte zu verüben, nur ist
1 Gressmann, Mithras der Rinderdieb, Dtsch. Lit. Zeitung 1923, 79ff.,
neigt zu dieser Vermutung, fügt aber hinzu: ,,ein Hirt könnte ihm den (den
Hund) zugeführt und ihm zugleich Früchte gebracht haben“ (Sp. 82).