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Fraenkel, Eduard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 2. Abhandlung): Das Pindargedicht des Horaz — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.40164#0013
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Das Pindargedicht des Hora?.

13

Orpheus ist doch "nichts als ein in die Heroenzeit versetzter Kitha-
rode1’. Und Horaz selbst gebraucht plectrum an den drei Stellen,
an denen das Wort sonst noch bei ihm vorkommt2, lediglich mit
Bezug auf des Alkaios oder seine eigene lyrische Dichtung. Die
entsprechende Bedeutung ist also von vornherein auch für 4, 2, 33
anzunehmen.
Ein noch gewichtigeres Argument ist zwar schon von Wila-
mowitz berührt worden3, verdient aber, nicht nur um dieses Ge-
dichtes willen, eine etwas eingehendere Würdigung. Wer nämlich
die Praxis der Anrede verfolgt, die Horaz in seiner reifen Lyrik
ausgebildet hat, der erkennt daß gerade die kunstreichsten Ge-
dichte den Vokativ nicht an eine beliebige Stelle heften, sondern
ihn (bisweilen erst lange nach dem Anfang) gerade da einbetten,
wo der Sinnzusammenhang auch dem scheinbar isoliert außerhalb
stehenden Namen des Angeredeten zu einer lebendigen Funktion
verhilft4. Dafür bieten die Anreden des Maecenas, die gemäß ihrer
Häufigkeit gern kunstreich variiert werden5, ein paar lehrreiche Bei-
spiele. Zu 3, 16, 20 iure perhorrui late conspicuum tollere verticem,
Maecenas equitum decus bemerkt Heinze fein: "für diese Scheu aus
der überkommenen Stellung herauszutreten beruft sich H. mit der
Anrede equitum decus auf das Vorbild des Maecenas selbst, der sich
damit begnügte eine Zier des Ritterstandes zu sein’. Eine andere
Nuance gewinnt aus dem Zusammenhang die ähnliche Anrede 1,
20, 5 datus in theatro cum tibi plausus, clcire Maecenas eques: in
diesem Augenblicke soll man das Bild vor sich sehen, wie Maecenas
1 WilaMowitz, Timotheos S. 84.
2 Carm. 1, 26, 11; 2, 1, 40; 2, 13, 27.
3 Er sagt nämlich: Mer Gegensatz zwischen Horaz und Pindar, den er
formuliert, indem er zugleich den Julius anredet’.
4 Ich kann hier nur eine Auswahl von Belegen geben, möchte aber auf
ein besonders anmutiges Beispiel wenigstens nebenher hinweisen. In dem
schönen Faunusgedicht I 17 steht die Anrede scheinbar ganz zufällig V. 10
utcumque dulci, Tyndari, fistula (seil. Fauni) valles et Usticae cubantis levia
personuere saxa. Eine solche Zufälligkeit wäre bei der sehr künstlichen Motiv-
verschlingung und dem streng symmetrischen Bau gerade dieses Gedichtes
einigermaßen befremdlich, müßte aber hingenommen werden, falls sich ein
Sinnzusammenhang nicht ungesucht erschlösse. Dies ist jedoch der Fall. Das
Einzige, was wir über Tyndaris erfahren, ist die Tatsache daß das junge
Mädchen eine ψάλτρια ist (V. 18). Indem der liebenswürdige Dichter sie da
anredet, wo er den holden Klang der Pan-Syrinx und ihre zauberische Wirkung
schildert, scheint er der Kleinen zu sagen: das muß doch etwas für dich sein,
wenn der göttliche Musikant in meinem bosco so wunderschön spielt!
5 Vgl. Nachr. Gött. Ges. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1932, 209.
 
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