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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 2. Abhandlung): Catulls Sappho — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.40167#0009
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Catulls Sappho

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sprengt“ (Pfeiffer, Philol. NF XLI 1932, 181. 214f.). Von der
innerlichen Umgestaltung hatten wir schon Gelegenheit uns zu
überzeugen. Jetzt fassen wir einige Eingriffe mehr äußerer Art ins
Auge. Wenn uns da gleich im ersten Vers die Erweiterung begegnet
ille, si fas est, superare cliaos, so mag dahinter an sich nicht viel mehr
stecken als das bekannte und psychologisch so verständliche Be-
dürfnis wie aller so insonderheit auch der römischen Imitations-
poesie, irgendwie doch eigen zu sein und deshalb immer ein wenig
geneigt zu überbieten oder doch zu erweitern. Gleichwohl wird die
Betätigung solchen Bedürfnisses von CatulI nicht ohne eine ganz
bestimmte Absicht gerade im Eingangsvers selber angebracht wor-
den sein. Damit sagt er gleich anfangs, daß er diesmal nicht ge-
denke als fidus interpres, wie später Horaz sagte, verbum verbo
reddere. Es ist wie eine Ankündigung: non desiliam Imitator in
artum. Wir sollen von vornherein trotz aller Gebundenheit auch
Freiheit erwarten, eine eigene poetische Leistung.
Leider verfuhr er so nicht ohne eine ungünstige Nebenfolge!
Die Erweiterungen -— zu der eben genannten tritt das, wie wir sahen,
innerlich bedeutungsvolle identidem sowie das harmlosere spectat
neben audit — haben die Wirkung, den noch übrig bleibenden
Raum zu beengen, und so wird bei den Worten &§u (qco'jz'iov.q ütoxxousi,
xcd yskouca^ Ipiposv das erste Glied einfach gekappt: es heißt nur
noch dulce ridentem. Gewiß ein übler Fehlgriff! Plaudern und
Lachen, beides vereinigt, ist anmutig. Die immer und immer nur
Lachende — identidem unterstreichts noch — ist eine wenig er-
freuliche Vorstellung. Man wird, zumal das zugefügte spectat das
Sehen neben das Hören stellt, fast versucht zu glauben, Lesbia tuts
aus dem gleichen Grund wie ihr nachmaliger Galan Egnatius: quod
candidos habet dentes, renidet usque quaquel Horaz jedenfalls wußte,
warum er zum Original zurückkehrte: dulce ridentem Lalagen amabo,
dulce loquentem. — In einem zweiten Falle starken Eingriffs ist der
Dichter dagegen weit entfernt Tadel zu verdienen und hat von der
beanspruchten Freiheit den allerbesten Gebrauch gemacht. Auf
diesen Fall wollen wir hier heraus. Es ist das Ende seiner dritten
Strophe, wo er die ganz schlichten Worte 6t:tz(x.tzggi S’oöSev opvjpx,
sTnppojxßsun. S’axouou aufs kräftigste schmückt und erweitert. Nicht
als ob er geglaubt hätte, da bedürfe Sappho einer Aufhöhung, son-
dern aus dem sicheren Gefühl heraus, der Aufhöhung bedürfe hier
er selbst, Catull. Und zwar deshalb, weil er -— mit gutem Grund,
wie wir sahen, auf Sapphos noch folgende Strophe verzichtend —
 
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