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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 3. Abhandlung): Die Niobe des Aischylos — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40168#0019
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Die Niobe des Aischylos

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ergibt sich auch im Formalen eine klare Begrenzung; dort die Ab-
schlußgnome (9), hier die neue Anrede nebst Parenthese (14).
4. Spricht der Chor, nicht Niobes Vertraute, von 'irgend einem
Groll’ des Apollon, so ist kein Anstoß. Der Chor weiß ja mir allge-
mein Bescheid. 5. Ebenso kann gerade ein außenstehender Chor
von Amphion als Träger von Apollons Groll sprechen. Amphion ist
für ihn als 'pater familias’ der Repräsentant des Geschlechtes; es ist
sein γένος, das der Gott ausgerottet hat* 1. 6. Das Wichtigste: die
Zweiteilung der Verse: zwei Verse mit μέν dem vergeblichen Kom-
men des Tantalos gewidmet, zwei weitere mit δέ der Katastrophe,
wird völlig verständlich. Der Chor, nicht die Berichterstatterm
selbst, zieht im Gedanken an Tantalos aus dem, was er soeben hörte,
das Fazit. Das erste Verspaar 10/11 verweilt noch bei der zuletzt
geschilderten Schmerzesstarrheit der Niobe (5—9). Gerade im
Munde des Chors paßt auch Vitellis: 'Vergebens’. Das zweite
Paar 12/13 greift einerseits auf die Ermordung der Kinder durch den
Gott zurück, die, wie schon gesagt, unbedingt vor dem Einsetzen
des Papyrus erzählt gewesen sein muß. Dieses Zurückgreifen erklärt
die betonte Anfangsstellung des Φοίβος δ]έ. Andererseits bildet
dieses Verspaar den Haltepunkt, an den die weitere Erzählung von
Niobes Frevel, dessen Folge der Groll des Gottes und die Kata-
strophe war, anschließen kann2.
wo der Chor mit μέν .. . δέ auf einen eben gehörten Bericht reagiert: Prom.
507 μή νυν βροτούς μέν ώφέλει κοαροϋ πέρα, σαυτοΰ δ’ άκήδει δυστυχοΰντος. ., 819 εί
μέν τι τηδε . . . εί δέ πάντ’ εϊρηκας, 1036 ήμΐν μέν Έρμης ούκ άκαιρα φαίνεται
λέγει ν. (es folgt kein δέ, sondern statt σύ δέ einfacher Imperativ πι-Ο-οΰ). Ag.
1242 (wie an unserer Stelle ohne besondere Anrede des Sprechers zuvor).
1 Wenn Reinhardt a. 0. 247 fragt, woher ein Sterblicher wissen soll,
daß Tantalos kommen wird; wenn ihn befremdet, daß nur μήνίν τινα genannt
wird und nicht gesagt, weshalb; und wenn er wieder fragt, wer es offenbaren
könne, daß Phoibos dem Amphion zürnt, obwohl Niobe sich überhoben ...,
so markiert Reinhardt eben die Schwierigkeiten, die mich zur Zuweisung
von 10—13 an den Chor geführt haben. Reinhardts Lösungsversuch, der
Sprecher sei ein Gott (Leto), scheitert wohl schon an dem όρατε 5 und ού γάρ
έστε δύσφρονες 14, denn solche Anrede an das Publikum wäre in der älteren
Tragödie beispiellos. Unmöglich für eine Gottheit und besonders Leto wäre
weiter die teilnehmende Vertrautheit in τάλαιναν 8 und ού γάρ έστε δύσφρονες 14.
Auch ist in der Gnomik 4 und 15ff. Menschenlos vom Menschen, nicht vom
Gott aus gesehen.
2 Zur Warnung für andere sei gesagt, daß ich lange versucht war, 12/13
als Frage zu fassen: Φοίβος] δέ μήνιν τίνα φέρων Άμφίονι . . . έξεφύλλασεν γένος;
Die Prolepse sinnbetonter Begriffe vor dem Fragewort wäre nichts Unerhörtes:
z. B. Ag. 598. Hik. 247, besonders die schweren Fälle Perser 350 (wo mit άρχή

2*
 
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