Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.
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die Entsendung der Gesandtschaft mit dem Bekannt werden
von Angriffsabsichten zu erklären versucht. Das widerspricht den
klaren Aussagen des Polybios in unerträglicher Weise. In seinen
von der Forschung viel zu wenig beachteten "Untersuchungen zur
Geschichte des zweiten Punischen Krieges’ hat Eduard Meyer
das erste Begehren der Börner eine 'rechtlich motivierte Forderung’
und das zweite 'eine mindestens sehr überflüssige Mahnung’ ge-
nannt1. Die Dichtigkeit der zweiten Charakterisierung wird nie-
mand leugnen wollen, aber hinsichtlich Sagunt kann ich seinem
Urteil nicht beipflichten. Die Gesandtschaft begründet ihre
saguntinische Forderung nicht mit der Berufung auf den Ebro-
vertrag, sondern mit dem Hinweis auf das seit einiger Zeit beste-
hende Bundesverhältnis. Ob Sagunt durch dieses Bündnis den
Schutz der Verträge gewann, ist einstweilen eine offene Frage;
sie wird uns später beschäftigen. Aber selbst wenn sie mit Ja
beantwortet werden müßte, bleibt nach dem unanfechtbaren
Zeugnis des Polybios bestehen, daß Hannibal die Freiheit Sagunts
nicht angetastet hat, als die römische Gesandtschaft bei ihm er-
scheint. Infolgedessen ist zuzugeben, daß die Forderungen, die
Born im Herbst 220 erhoben hat, das gewesen sind, was wir in der
Sprache der Diplomatie unserer Tage einen 'unfreundlichen Akt’
nennen. Man stelle sich vor, wie aufgeregt die öffentliche Meinung
in Tokio antworten würde für den Fall, daß von russischer Seite
im japanischen Hauptquartier die Forderung erhoben werden
würde, den Amur nicht zu überschreiten.
Für Mommsen ist das alles nicht vorhanden, und auch die mo-
derne Forschung geht zumeist, ohne ernsthaft Stellung zu nehmen,
über dieses eigenartige Verhalten der Börner hinweg. Auch die
sich anschließende Behauptung Mommsens, Hannibal habe kurz
entschlossen nach Karthago gemeldet, daß er Sagunt angreifen
müsse, entspricht nicht der Wahrheit. Das herkömmliche Bild
zeigt uns ein kriegslustiges Hauptquartier, das die arme Regierung
daheim dauernd unter starkem Druck hält und ihr jede Bewegungs-
freiheit nimmt. Dazu paßt ganz und gar nicht die durch Polybios
beglaubigte Tatsache, daß Hannibal beunruhigt durch das plötz-
lich auftretende Interesse der Römer an Spanien im allgemeinen
und an Sagunt im besonderen—und wer wird die Berechtigung dieser
Unruhe nicht verstehen ? — eine Anfrage nach Karthago richtet,
1 Berl. Sitz.-Ber. a. a. O. 694 = Kl. Sehr. II, 343. Bei Groag 58 und
Gelzer 156 findet man lediglich eine Paraphrase des polybianischen Berichtes.
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die Entsendung der Gesandtschaft mit dem Bekannt werden
von Angriffsabsichten zu erklären versucht. Das widerspricht den
klaren Aussagen des Polybios in unerträglicher Weise. In seinen
von der Forschung viel zu wenig beachteten "Untersuchungen zur
Geschichte des zweiten Punischen Krieges’ hat Eduard Meyer
das erste Begehren der Börner eine 'rechtlich motivierte Forderung’
und das zweite 'eine mindestens sehr überflüssige Mahnung’ ge-
nannt1. Die Dichtigkeit der zweiten Charakterisierung wird nie-
mand leugnen wollen, aber hinsichtlich Sagunt kann ich seinem
Urteil nicht beipflichten. Die Gesandtschaft begründet ihre
saguntinische Forderung nicht mit der Berufung auf den Ebro-
vertrag, sondern mit dem Hinweis auf das seit einiger Zeit beste-
hende Bundesverhältnis. Ob Sagunt durch dieses Bündnis den
Schutz der Verträge gewann, ist einstweilen eine offene Frage;
sie wird uns später beschäftigen. Aber selbst wenn sie mit Ja
beantwortet werden müßte, bleibt nach dem unanfechtbaren
Zeugnis des Polybios bestehen, daß Hannibal die Freiheit Sagunts
nicht angetastet hat, als die römische Gesandtschaft bei ihm er-
scheint. Infolgedessen ist zuzugeben, daß die Forderungen, die
Born im Herbst 220 erhoben hat, das gewesen sind, was wir in der
Sprache der Diplomatie unserer Tage einen 'unfreundlichen Akt’
nennen. Man stelle sich vor, wie aufgeregt die öffentliche Meinung
in Tokio antworten würde für den Fall, daß von russischer Seite
im japanischen Hauptquartier die Forderung erhoben werden
würde, den Amur nicht zu überschreiten.
Für Mommsen ist das alles nicht vorhanden, und auch die mo-
derne Forschung geht zumeist, ohne ernsthaft Stellung zu nehmen,
über dieses eigenartige Verhalten der Börner hinweg. Auch die
sich anschließende Behauptung Mommsens, Hannibal habe kurz
entschlossen nach Karthago gemeldet, daß er Sagunt angreifen
müsse, entspricht nicht der Wahrheit. Das herkömmliche Bild
zeigt uns ein kriegslustiges Hauptquartier, das die arme Regierung
daheim dauernd unter starkem Druck hält und ihr jede Bewegungs-
freiheit nimmt. Dazu paßt ganz und gar nicht die durch Polybios
beglaubigte Tatsache, daß Hannibal beunruhigt durch das plötz-
lich auftretende Interesse der Römer an Spanien im allgemeinen
und an Sagunt im besonderen—und wer wird die Berechtigung dieser
Unruhe nicht verstehen ? — eine Anfrage nach Karthago richtet,
1 Berl. Sitz.-Ber. a. a. O. 694 = Kl. Sehr. II, 343. Bei Groag 58 und
Gelzer 156 findet man lediglich eine Paraphrase des polybianischen Berichtes.