Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.
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sehe Senat noch ihr Feldherr im Unklaren gewesen sein, daß Rom
-— mochte es aus welchen Beweggründen auch immer die verbün-
dete Stadt während des Kampfes im Stiche lassen — schwerlich
die Nichtachtung der wichtigsten Forderung seiner ersten Gesandt-
schaft stillschweigend hinnehmen werde. In der Sache war der
Entschluß, es auf einen Krieg ankommen zu lassen, schon jetzt
auf beiden Seiten gefaßt1. Es folgt ein diplomatischer Endkampf,
dessen Ziel nicht mehr war, den kriegerischen Zusammenstoß zu
vermeiden, sondern dem Gegner die Verantwortung für den
Bruch des Friedens zuzuschreiben und vor dem Volke die Gerech-
tigkeit der eigenen Sache zu erweisen. Das führt uns in den Kern
des juristischen Problems.
Die Rechtslage z. Z. der zweiten Römischen Gesandtschaft.
Der Fall Sagunts hatte zur Folge, daß Rom zum zweitenmal
Gesandte wegen der spanischen Verhältnisse ausschickte u. z.
unmittelbar nach Karthago. Zu dieser Zeit — es war im Herbst
2192 — stand das karthagische Heer noch immer Gewehr
hei Fuß mehr als 100 km südlich des Ebro. Die Frage
der Grenzüberschreitung konnte daher nach Lage der Dinge
nicht Gegenstand der Verhandlungen sein und ist es auch
nicht gewesen. Auf diesen zweiten Punkt der Warnung von
220 wurde mit keinem Worte Bezug genommen. Die Verhand-
lung dreht sich allein um Sagunt, wobei der von Hasdrubal ge-
schlossene sog. Ebrovertrag eine große Rolle spielte. Es ist von
jeher der Hauptanstoß der polybianischen Darstellung der Vor-
kriegsgeschichte gewesen3, daß der Ebrovertrag überhaupt in der
Saguntinischen Frage herangezogen wurde. Das hat zu den ver-
schiedenartigsten Erklärungen Anlaß gegeben. Hat man doch
sogar in allem Ernste Niebuhrs Ansicht wieder verfochten, nach
der Polybios des Glaubens gewesen sein soll, Sagunt sei im Norden
des Grenzflusses zu suchen4.
Nach Polybios’ klaren Angaben hat der Hasdrubalvertrag
nur einen Paragraphen gehabt, nämlich den p) Suxßouveiv Kapyyj-
Sovlouc, S7cl Tioksgw tov vIß7]pa TtoTocgov5. Freilich in der Vulgär-
1 Ich freue mich in diesem Urteil mit Cook C A H VIII, 31 f. überein-
zukommen.
2 So mit Recht Groag 72, 5.
3 Ed. Meyer, a. a. O. 693 = Kl. Schriften. II 341.
4 Z. B. Cuntz, Polybios und sein Werk 65, de Sanctis III 1, 429.
5 Darin stimmen die Vertreter der gegenüberstehenden Ansichten
überein, Mommsen und Ed. Meyer so gut wie Meltzer und Kromayer.
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sehe Senat noch ihr Feldherr im Unklaren gewesen sein, daß Rom
-— mochte es aus welchen Beweggründen auch immer die verbün-
dete Stadt während des Kampfes im Stiche lassen — schwerlich
die Nichtachtung der wichtigsten Forderung seiner ersten Gesandt-
schaft stillschweigend hinnehmen werde. In der Sache war der
Entschluß, es auf einen Krieg ankommen zu lassen, schon jetzt
auf beiden Seiten gefaßt1. Es folgt ein diplomatischer Endkampf,
dessen Ziel nicht mehr war, den kriegerischen Zusammenstoß zu
vermeiden, sondern dem Gegner die Verantwortung für den
Bruch des Friedens zuzuschreiben und vor dem Volke die Gerech-
tigkeit der eigenen Sache zu erweisen. Das führt uns in den Kern
des juristischen Problems.
Die Rechtslage z. Z. der zweiten Römischen Gesandtschaft.
Der Fall Sagunts hatte zur Folge, daß Rom zum zweitenmal
Gesandte wegen der spanischen Verhältnisse ausschickte u. z.
unmittelbar nach Karthago. Zu dieser Zeit — es war im Herbst
2192 — stand das karthagische Heer noch immer Gewehr
hei Fuß mehr als 100 km südlich des Ebro. Die Frage
der Grenzüberschreitung konnte daher nach Lage der Dinge
nicht Gegenstand der Verhandlungen sein und ist es auch
nicht gewesen. Auf diesen zweiten Punkt der Warnung von
220 wurde mit keinem Worte Bezug genommen. Die Verhand-
lung dreht sich allein um Sagunt, wobei der von Hasdrubal ge-
schlossene sog. Ebrovertrag eine große Rolle spielte. Es ist von
jeher der Hauptanstoß der polybianischen Darstellung der Vor-
kriegsgeschichte gewesen3, daß der Ebrovertrag überhaupt in der
Saguntinischen Frage herangezogen wurde. Das hat zu den ver-
schiedenartigsten Erklärungen Anlaß gegeben. Hat man doch
sogar in allem Ernste Niebuhrs Ansicht wieder verfochten, nach
der Polybios des Glaubens gewesen sein soll, Sagunt sei im Norden
des Grenzflusses zu suchen4.
Nach Polybios’ klaren Angaben hat der Hasdrubalvertrag
nur einen Paragraphen gehabt, nämlich den p) Suxßouveiv Kapyyj-
Sovlouc, S7cl Tioksgw tov vIß7]pa TtoTocgov5. Freilich in der Vulgär-
1 Ich freue mich in diesem Urteil mit Cook C A H VIII, 31 f. überein-
zukommen.
2 So mit Recht Groag 72, 5.
3 Ed. Meyer, a. a. O. 693 = Kl. Schriften. II 341.
4 Z. B. Cuntz, Polybios und sein Werk 65, de Sanctis III 1, 429.
5 Darin stimmen die Vertreter der gegenüberstehenden Ansichten
überein, Mommsen und Ed. Meyer so gut wie Meltzer und Kromayer.