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Walther Kolbe:
tradition1 ist das Abkommen zu einer Garantie für die 'freien
Griechenstädte’ geworden, und es wird der Anschein erweckt, als
ob auch das griechische Sagunt durch ihn gedeckt sei. Es ist ein
Beweis für den Tiefstand des Wissens der späten Historiker,
daß sie die legendäre Tradition, Sagunt sei eine Tochterstadt von
Zakynthos gewesen, geglaubt und weitergegeben haben. Dank
dem monumentalen Zeugnis der Münzen können wir sagen, daß die
Bevölkerung der Stadt iberischen Stammes gewesen ist; der
Stadtname lautete in der Sprache der Eingeborenen Sacen2. Der
Griechenparagraph ist also zu unrecht erfunden.
Aber auch Laqueurs3 Konstruktionen, nach denen trotz
Polybios ein zweiter Paragraph vorhanden war, bestehen nicht
zu Hecht. Sie sind ein Musterbeispiel dafür, wie eine historische
Argumentation nicht Vorgehen darf. Wie es immer bei Laqueur
zu gehen pflegt, ist sein Ausgangspunkt eine richtige Beobachtung,
nämlich die dank Polybios4 unbestreitbare Tatsache, daß die Kar-
thager bei der Verhandlung des Jahres 219 die Rechtsgiltigkeit
des Ebrovertrages mit aller Entschiedenheit bestritten haben.
Kein Zweifel, dieses Abkommen muß ihnen gerade im Hinblick
auf Sagunt äußerst unbequem gewesen seih, und es ist das bis
heute ungelöste Bätsel, weshalb sie eine so ablehnende Haltung
eingenommen haben5. Denn wenn in ihm lediglich von der Ebro-
grenze die Rede war, konnten sie noch weit im Süden des Flusses
stehend das beste Gewissen haben. Laqueur sieht nur eine Mög-
lichkeit, das Verhalten der Karthager zu erklären: Der Vertrag
muß eine Bestimmung enthalten haben, welche 'unbedingt auf
Sagunt bezogen werden mußte’. Von dieser Voraussetzung aus
gelangt er zu der Behauptung, Polybios habe ursprünglich die
gleiche Ansicht gehabt wie Livius, daß nämlich Sagunt durch den
Vertrag 'gegen eine etwaige Bedrohung durch Karthago ausdrück-
lich die Freiheit garantiert’ worden sei. Nachdem er soweit gelangt
ist, wird ihm 'mit einem Male die auffallende Fassung des Hasdru-
1 Liv. 21, 7, 2, App. Ib. 7, Zon. 8, 21.
2 Monum. ling. Ib. 40a, dazu Zippel commentationes in honorem
Mommseni 800. Der Artikel in der R E I A 1755 läßt trotz Schultens Autor-
schaft unbefriedigt.
3 Polybios 28ff.
4 III. 21, 1.
5 Auch Cooks Versuch a. 0. 29: 'this assertion is probably the perversion
of what may be true, that the Carthaginians limited the discussion to the precise
legal point at issue’ bringt keine Lösung.
Walther Kolbe:
tradition1 ist das Abkommen zu einer Garantie für die 'freien
Griechenstädte’ geworden, und es wird der Anschein erweckt, als
ob auch das griechische Sagunt durch ihn gedeckt sei. Es ist ein
Beweis für den Tiefstand des Wissens der späten Historiker,
daß sie die legendäre Tradition, Sagunt sei eine Tochterstadt von
Zakynthos gewesen, geglaubt und weitergegeben haben. Dank
dem monumentalen Zeugnis der Münzen können wir sagen, daß die
Bevölkerung der Stadt iberischen Stammes gewesen ist; der
Stadtname lautete in der Sprache der Eingeborenen Sacen2. Der
Griechenparagraph ist also zu unrecht erfunden.
Aber auch Laqueurs3 Konstruktionen, nach denen trotz
Polybios ein zweiter Paragraph vorhanden war, bestehen nicht
zu Hecht. Sie sind ein Musterbeispiel dafür, wie eine historische
Argumentation nicht Vorgehen darf. Wie es immer bei Laqueur
zu gehen pflegt, ist sein Ausgangspunkt eine richtige Beobachtung,
nämlich die dank Polybios4 unbestreitbare Tatsache, daß die Kar-
thager bei der Verhandlung des Jahres 219 die Rechtsgiltigkeit
des Ebrovertrages mit aller Entschiedenheit bestritten haben.
Kein Zweifel, dieses Abkommen muß ihnen gerade im Hinblick
auf Sagunt äußerst unbequem gewesen seih, und es ist das bis
heute ungelöste Bätsel, weshalb sie eine so ablehnende Haltung
eingenommen haben5. Denn wenn in ihm lediglich von der Ebro-
grenze die Rede war, konnten sie noch weit im Süden des Flusses
stehend das beste Gewissen haben. Laqueur sieht nur eine Mög-
lichkeit, das Verhalten der Karthager zu erklären: Der Vertrag
muß eine Bestimmung enthalten haben, welche 'unbedingt auf
Sagunt bezogen werden mußte’. Von dieser Voraussetzung aus
gelangt er zu der Behauptung, Polybios habe ursprünglich die
gleiche Ansicht gehabt wie Livius, daß nämlich Sagunt durch den
Vertrag 'gegen eine etwaige Bedrohung durch Karthago ausdrück-
lich die Freiheit garantiert’ worden sei. Nachdem er soweit gelangt
ist, wird ihm 'mit einem Male die auffallende Fassung des Hasdru-
1 Liv. 21, 7, 2, App. Ib. 7, Zon. 8, 21.
2 Monum. ling. Ib. 40a, dazu Zippel commentationes in honorem
Mommseni 800. Der Artikel in der R E I A 1755 läßt trotz Schultens Autor-
schaft unbefriedigt.
3 Polybios 28ff.
4 III. 21, 1.
5 Auch Cooks Versuch a. 0. 29: 'this assertion is probably the perversion
of what may be true, that the Carthaginians limited the discussion to the precise
legal point at issue’ bringt keine Lösung.