Metadaten

Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0019
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.

19

Wie eine solche dialektische Beweisführung auf die römischen
Gesandten wirken mußte, kann man sich unschwer vorstellen.
Rom hatte 226 mit Hasdrubal einen Vertrag geschlossen, dessen
— vielleicht nicht ausgesprochene, aber nach der bisherigen Übung
ohne weiteres gegebene — Konsequenz war, daß die neue Bundes-
genossin Sagunt, die innerhalb der karthagischen Einflußzone lag,
den Vertragsschutz genoß. Es hatte ferner im Herbst 220 in aller
Form den neuen Oberkommandierenden sowohl auf den Vertrag
wie auf das Bündnis aufmerksam gemacht. Eben damals waren
seine Gesandten mit dem gleichen Auftrag in Karthago gewesen,
und die dortige Regierung hatte gegen die Rechtsgiltigkeit des
Hasdrubalvertrages keine Einwendungen erhoben. Und nun
kamen plötzlich die Diplomaten und bewiesen mit spitzfindiger
Logik, daß der Vertrag von 226 nichtig sei, weil ihm die Ratifi-
kation durch den Senat fehle, und daß infolgedessen der karthagi-
sche Staat durch jenes Abkommen in keiner Weise gebunden sei.
Das war ja eine durch und durch verlogene Haltung, das war
Rabbulistik, wie sie wohl die semitischen Händlerseelen ausdenken,
aber nun und nimmer ein klar und einfach empfindender Römer
jener Tage nachfühlen konnte. Das war Vertragsbruch perfidester
Art1. Angesichts einer solchen Haltung auf karthagischer Seite
gab es für die Römer keine Möglichkeit des Verhandelns mehr2.
Die war nur gegeben, solange Sagunt in seinen Rechten ungekränkt
war. Jetzt wo es in Trümmern lag, kam nur eines in Frage: Fest-
halten an der einmal gestellten Alternative: entweder Karthago
lieferte die Schuldigen aus, oder Rom erklärte den Krieg. Diese
Antwort verschüttete, wie die Gesandten selbst im voraus wußten,
die letzte Verständigungsmöglichkeit. Karthago lehnte im Be-
wußtsein seiner Ehre die Auslieferung des Feldherrn ab, der nur
den Auftrag der Regierung vollzogen hatte. Der Krieg war da.
Wir Angehörigen einer spätgeborenen Generation müssen
Polybios Dank wissen, daß seine Darstellung bei aller Lücken-
haftigkeit und Unzulänglichkeit doch so viel von den tatsäch-
lichen Vorgängen bewahrt hat, daß wir den Gang der Verhand-
lungen wiederherstellen können. Wenn wir das Ganze überschauen,
werden wir den Römern zugeben müssen, daß sie juristisch be-
rechtigt waren, den Karthagern, wie Cato es tat, Vertragsbruch
1 Vgl. C.atos Ausspruch: Carthaginenses sextum de foedere decessere
(orig. fr. 84).
2 Polyb. III 21, 6: tots piv tö 8i/.aio>.oyeIa8ai xatoa^ aTreylYVcoaxov.

2*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften