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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0031
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Die Kriegsschuldfrage von 218 v. C.hr. Geb.

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gegenüber muß ich erklären, daß ich es für ein völlig aussichtsloses
Unterfangen halte, aus dem Polybiostext eine erste ursprüngliche
Fassung und damit Fabius wiederzugewinnen, und ich kann auch
nicht verschweigen, daß ich die Begründung dieser ' Rekonstruk-
tion’ für völlig unzureichend halte. Aber gesetzt den Fall, daß
Fabius wirklich das Verhalten Roms in der oben angegebenen
Weise gerechtfertigt haben sollte, so muß ihm laut widersprochen
werden. Denn was das Abfangen der Italiker anlangt, so handelt
es sich um gewissenlose Schiffskapitäne, die um des Gewinnes
willen sich nicht gescheut hatten, in der schweren Notlage des
Söldnerkrieges den Meuterern in Afrika Waffen und Nahrungs-
mittel zuzuführen. Ein solches Verhalten kann kein Staat verteidi-
gen; denn es war ein offenes Vergehen gegen den eben beschwore-
nen Friedensvertrag von 241, ein Bruch der Neutralität, den zu
ahnden Pflicht der römischen Behörden war. Irgendeine Feind-
seligkeit gegen das römische Staatsinteresse kann man in der
Inhaftnahme der Kriegskonterbande führenden Italiker nicht
sehen. Das hat auch der Senat nicht getan, denn er hat im Aus-
tausch gegen die wieder freigegebenen Schiffskapitäne den Rest
der Kriegsgefangenen aus dem ersten Punischen Kriege entlassen.
Diese zufällige Notiz des Polybios* 1 lehrt uns ein wichtiges Moment
kennen, für das uns Deutschen durch die Erfahrungen des Jahres
1919 erst das rechte Verständnis aufgegangen ist: Die Sieger haben
einen Teil der Kriegsgefangenen nach Friedensschluß noch längere
Zeit zurückbehalten. Das wirft auf das immer gerechte Rom ein
eigentümliches Licht. Zugleich gibt es eine Erklärung für Kartha-
gos Verhalten. Es mag sein, daß es die Inhaftnahme der Italiker
als Repressalie verfügte, um endlich den widerrechtlich zurück-
gehaltenen Angehörigen des eigenen Staates die Freiheit zu ver-
schaffen. Die ajjL<ptaßy)T7)at(; ajxcpoiv, von der Polybios I 83, 6
spricht, findet so eine ansprechende Aufklärung2 *.
Auch die Flottenrüstung, die Karthago angesichts der Auf-
standsbewegung in Sardinien verfügte, stellte keinen feindseligen
Akt gegen Rom dar, der den Krieg unvermeidlich machte. Die

eigen gemacht, daß aus dem jetzigen Text des Polybios die ursprüngliche..
Fassung wiederzugewinnen sei, und daß dieser 'echte Polybios5 Fabius’
Meinung wiedergebe.
1 I 83, 8.
2 Laqueurs Deutung (S. 1621.), die auf einer /msammenrückung von
1 83 6f. und 88 8 beruht, ist einfach unmöglich.
 
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