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Walther Kolbe:
meuternden Söldner, die die Insel infolge ihres Konfliktes mit
den Eingeborenen hatten verlassen müssen1, hatten ihre Zuflucht
zu den Römern genommen und sie aufgefordert, ihrerseits von
Sardinien Besitz zu ergreifen. Schon einmal war an Rom der Ruf
ergangen, die Insel zu annektieren. Aber damals waren die Meuterer
noch Herren in Sardinien gewesen, und der Senat hatte mit gutem
Grunde abgelehnt, seine gute Sache mit der der Aufrührer zu ver-
binden2. Wenn er das zweitemal Anstalten traf, die günstige Ge-
legenheit zur Erweiterung seines Machtbereiches zu benützen3,
so ist es nur zu sehr verständlich, daß Karthago gegen ein solches
Vorgehen lauten Protest erhob. Mit Recht konnte es geltend
machen, daß sein Herrschaftsanspruch durch den Aufstand Sar-
diniens nicht erloschen sei. Niemand wird den Karthagern unrecht
geben können, daß sie die Flotte mobilisierten, um die Aufstands-
bewegung4 zu ersticken. Daß Rom diese Maßnahme zum Anlaß
nahm, um Karthago den Krieg zu erklären, und dadurch den
durch äußeres und inneres Unglück, erschöpften Staat zwang,
seinen unanfechtbaren Rechtsanspruch preiszugeben, war ein Akt
brutaler Machtpolitik. Kein Verständiger konnte dieses Vorgehen
verteidigen. Über Fabius können wir nicht mit Sicherheit urteilen,
aber Polybios wäre der letzte gewesen, es zu tun. Er, der so fest
von Roms Recht im Jahre 219 überzeugt war, er hat den Raub
Sardiniens und Korsikas mit harten Worten als einen schlimmen
Rechtsbruch gegeißelt5.
Diese Tatsachen, die durch Laqueurs überspitzten Unter-
suchungen in ihrem Kern verdunkelt worden waren, mußten erst
wdeder klargestellt werden, ehe wir daran gehen konnten, sie für
unser Problem zu werten. Die schwankende Haltung der römi-
schen Politiker läßt uns die im Senat vorhandenen Meinungsver-
schiedenheiten deutlich erkennen. Während anfangs die Inne-
haltung der Verträge als oberster Grundsatz aufgestellt wurde,
dringt allmählich jene Richtung durch, die die augenblickliche
Gunst der Umstände ■— selbst unter schroffer Verletzung des
Rechts — zu einem großen Erfolge ausnützen will. Es sind die
gleichen Strömungen, die sich schon beim Abschluß des Lutatius-
1 Polyb. I 79 1—5.
2 I 83 11.
3 I 88 4: ey.x\7]Q-i\)xzQ eueßdcXovTO uXetv sm tt)V 7rpoet.p7)[xev7)v vrjcrov.
4 I 88 9: Ttapadxsu^opivcüv [LSTCOTOpeusaO-ca touc; octzogt7]gocvtocc, ocÜtmv
T 7] V V7)CTOV. 5 III 30 4.
Walther Kolbe:
meuternden Söldner, die die Insel infolge ihres Konfliktes mit
den Eingeborenen hatten verlassen müssen1, hatten ihre Zuflucht
zu den Römern genommen und sie aufgefordert, ihrerseits von
Sardinien Besitz zu ergreifen. Schon einmal war an Rom der Ruf
ergangen, die Insel zu annektieren. Aber damals waren die Meuterer
noch Herren in Sardinien gewesen, und der Senat hatte mit gutem
Grunde abgelehnt, seine gute Sache mit der der Aufrührer zu ver-
binden2. Wenn er das zweitemal Anstalten traf, die günstige Ge-
legenheit zur Erweiterung seines Machtbereiches zu benützen3,
so ist es nur zu sehr verständlich, daß Karthago gegen ein solches
Vorgehen lauten Protest erhob. Mit Recht konnte es geltend
machen, daß sein Herrschaftsanspruch durch den Aufstand Sar-
diniens nicht erloschen sei. Niemand wird den Karthagern unrecht
geben können, daß sie die Flotte mobilisierten, um die Aufstands-
bewegung4 zu ersticken. Daß Rom diese Maßnahme zum Anlaß
nahm, um Karthago den Krieg zu erklären, und dadurch den
durch äußeres und inneres Unglück, erschöpften Staat zwang,
seinen unanfechtbaren Rechtsanspruch preiszugeben, war ein Akt
brutaler Machtpolitik. Kein Verständiger konnte dieses Vorgehen
verteidigen. Über Fabius können wir nicht mit Sicherheit urteilen,
aber Polybios wäre der letzte gewesen, es zu tun. Er, der so fest
von Roms Recht im Jahre 219 überzeugt war, er hat den Raub
Sardiniens und Korsikas mit harten Worten als einen schlimmen
Rechtsbruch gegeißelt5.
Diese Tatsachen, die durch Laqueurs überspitzten Unter-
suchungen in ihrem Kern verdunkelt worden waren, mußten erst
wdeder klargestellt werden, ehe wir daran gehen konnten, sie für
unser Problem zu werten. Die schwankende Haltung der römi-
schen Politiker läßt uns die im Senat vorhandenen Meinungsver-
schiedenheiten deutlich erkennen. Während anfangs die Inne-
haltung der Verträge als oberster Grundsatz aufgestellt wurde,
dringt allmählich jene Richtung durch, die die augenblickliche
Gunst der Umstände ■— selbst unter schroffer Verletzung des
Rechts — zu einem großen Erfolge ausnützen will. Es sind die
gleichen Strömungen, die sich schon beim Abschluß des Lutatius-
1 Polyb. I 79 1—5.
2 I 83 11.
3 I 88 4: ey.x\7]Q-i\)xzQ eueßdcXovTO uXetv sm tt)V 7rpoet.p7)[xev7)v vrjcrov.
4 I 88 9: Ttapadxsu^opivcüv [LSTCOTOpeusaO-ca touc; octzogt7]gocvtocc, ocÜtmv
T 7] V V7)CTOV. 5 III 30 4.