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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0033
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Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.

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Vertrages bekämpft hatten. Das Ziel der auf Aktivität drängenden
Kräfte ist nicht zu verkennen. Men wollte über die natürlichen
Grenzen der Apenninhalbinsel hinausgreifen und den Blick auf
die See richten. Nicht umsonst war Rom in dem schweren Ringen
des ersten Punischen Krieges zu einer Seemacht geworden1: es
sollte jetzt die Folgerungen ziehen und überseeische Politik treiben.
Die Okkupation der beiden großen Inseln im Tyrrhenischen Meere
war ein erster Schritt auf neuer Bahn. Aber es kommt noch ein
anderes Moment hinzu. Durch die glückliche Beendigung des
Pyrrhoskrieges ist Rom zum Erben der westgriechischen Staaten
geworden. Ja mehr als das, es kann sich der Verpflichtung nicht
entziehen, füu die Griechen den Kampf auf Sizilien durchzufechten.
Das ist der tiefste Sinn des ersten Punischen Krieges, daß Rom den
Jahrhunderte alten Streit zwischen Hellenentum und Semiten -
tum zugunsten des ersteren entschieden hat. Dieser Gedanke der
Wahrnehmung griechischer Interessen, wie Rom sie auffaßte,
verschwindet von nun an für ein Jahrhundert nicht aus der römi-
schen Politik. Er hat ihr den Weg nach Massalia gewiesen, er hat
sie auch über die Adria geführt. Im ersten Illyrischen Kriege war,
wie wir sahen, nicht die Zurückdrängung des belanglosen Seeräuber-
staates die Hauptsache, sondern die Angliederung der griechischen
Stadtstaaten an der albanischen Küste. Italien wurde, ohne Er-
oberungspolitik zu treiben, eine Balkanmacht und trat damit
in eine zunächst noch verborgene Rivalität mit Makedonien. Die
Idee, Makedonien als der natürlichen Vormacht des Griechentums
in seinem Erstarken Schwierigkeiten in den Weg zu legen, gibt
dem zweiten Illyrischen Krieg seine hohe geschichtliche Bedeutung
weit über das kleine Geschehen der Jahre 220 und 219 hinaus. In
diesen beiden Adriakriegen werden die Grundlagen für jene schein-
bar so uneigennützige2 3 und doch für Griechenland so verhängnis-
volle Politik der Befreiung aller Griechen gelegt, die nach einem
Menschenalter zu dem Triumph des T. Quinctius Flamininus
geführt hat. Rom treibt nicht imperialistische Politik in dem
groben Sinn der Eroberung. Wohl aber erhebt es den Anspruch,
daß sein Wort auch jenseits des Meeres gehört werde.

1 Julliais, Histoire de la Gaule I 444.
2 Polyb. 18, 45 9: öloti y.ca ttjv zc, xp/Gi? exowjcavTO 8iäßaa;v oü toü au(i.cpe-
povrop evexev, xAAa x% tmv 'EAAtjvwv aunrjplaq, sagt Flamininus dreißig Jahre
später zu den Griechen.
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil. hist. Kl. 1933/34. 4. Abh.
 
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