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Walther Kolbe:
Flotte eine ganz untergeordnete Rolle. Die Folgerungen für
Hamilkar ergehen sich von selbst. Bei Hasdrubal und Hannibal
finden wir die gleiche Vernachlässigung der Marine. Wir müssen
hier einmal die Zahlen sprechen lassen; sie werden uns lehren,
daß das karthagische Hauptquartier beim Kriegsausbruch zu See
— man kann sagen -— ungerüstet war. Es verfügte nur über
32 fahrbereite Penteren und 5 Trieren; weitere 18 Schiffskörper
vom Typ der Pentere waren zwar vorhanden, aber es fehlten die
Mannschaften. Ihren vollen Wert erhalten diese Ziffern erst durch
den Vergleich mit der Flottenstärke der Römer. Sie besaßen
mit 220 Penteren die unumschränkte Herrschaft zur See. Ange-
sichts solcher Tatsachen1 verliert der Gedanke eines von langer
Hand vorbereiteten Angriffskrieges von seiten der Karthager
jede Glaubwürdigkeit.
Wenn die Marinepolitik für alle drei Barkiden ein Beweis
ihres Willens zu friedlicher Arbeit ist, so besitzen wir für Has-
drubals Einstellung in dem von ihm 226 geschlossenen Ebro-
vertrag ein Dokument von überragender Bedeutung. Setzen wir
den Fall, daß er, wie Fabius Pictor allen Ernstes behauptete, auf
den Krieg hinarbeitete, so konnte es für ihn keine günstigere Ge-
legenheit zum Angriff geben als den Augenblick, wo Rom in einen
Kampf auf Leben und Tod mit den Kelten des Polandes eintrat.
Er aber hat die nie wiederkehrende Gelegenheit dieser Stunde vor-
übergehen lassen. Ja mehr als das, er hat die Hand, die ihm von
Rom entgegengestreckt wurde, ergriffen und hat im Ebrovertrag
sein Einverständnis gegeben, daß dem karthagischen Ausdehnungs-
drang eine Grenze gesetzt wurde. Einen schlagenderen Beweis für
seine friedliche Einstellung konnte er nicht geben. Wir sind daher
berechtigt auf Grund .dieser Zeugnisse zu sagen, daß das spanische
Kolonialreich nicht um des Revanchegedankens willen aufgebaut
wurde.
Hannibal ist der dritte in der Reihe der Barkiden. Seine
Haltung ist mit der seiner Vorgänger im besten Einklang. Wir
sahen, daß Mommsens Behauptung, als sei für ihn vom ersten Tage
seines Kommandos an der Krieg gegen Rom beschlossene Sache
gewesen, mit den von Polybios mitgeteilten Tatsachen in einem
unversöhnlichen Gegensatz steht. Sein Blick war auf Spanien
und nur auf Spanien gerichtet. Niemand kann ihm vorwerfen,
daß er sich nicht i'm Rahmen des von seinem Vorgänger geschlosse-
1 So schon Meltzer, dann vor allem Kromayer.
Walther Kolbe:
Flotte eine ganz untergeordnete Rolle. Die Folgerungen für
Hamilkar ergehen sich von selbst. Bei Hasdrubal und Hannibal
finden wir die gleiche Vernachlässigung der Marine. Wir müssen
hier einmal die Zahlen sprechen lassen; sie werden uns lehren,
daß das karthagische Hauptquartier beim Kriegsausbruch zu See
— man kann sagen -— ungerüstet war. Es verfügte nur über
32 fahrbereite Penteren und 5 Trieren; weitere 18 Schiffskörper
vom Typ der Pentere waren zwar vorhanden, aber es fehlten die
Mannschaften. Ihren vollen Wert erhalten diese Ziffern erst durch
den Vergleich mit der Flottenstärke der Römer. Sie besaßen
mit 220 Penteren die unumschränkte Herrschaft zur See. Ange-
sichts solcher Tatsachen1 verliert der Gedanke eines von langer
Hand vorbereiteten Angriffskrieges von seiten der Karthager
jede Glaubwürdigkeit.
Wenn die Marinepolitik für alle drei Barkiden ein Beweis
ihres Willens zu friedlicher Arbeit ist, so besitzen wir für Has-
drubals Einstellung in dem von ihm 226 geschlossenen Ebro-
vertrag ein Dokument von überragender Bedeutung. Setzen wir
den Fall, daß er, wie Fabius Pictor allen Ernstes behauptete, auf
den Krieg hinarbeitete, so konnte es für ihn keine günstigere Ge-
legenheit zum Angriff geben als den Augenblick, wo Rom in einen
Kampf auf Leben und Tod mit den Kelten des Polandes eintrat.
Er aber hat die nie wiederkehrende Gelegenheit dieser Stunde vor-
übergehen lassen. Ja mehr als das, er hat die Hand, die ihm von
Rom entgegengestreckt wurde, ergriffen und hat im Ebrovertrag
sein Einverständnis gegeben, daß dem karthagischen Ausdehnungs-
drang eine Grenze gesetzt wurde. Einen schlagenderen Beweis für
seine friedliche Einstellung konnte er nicht geben. Wir sind daher
berechtigt auf Grund .dieser Zeugnisse zu sagen, daß das spanische
Kolonialreich nicht um des Revanchegedankens willen aufgebaut
wurde.
Hannibal ist der dritte in der Reihe der Barkiden. Seine
Haltung ist mit der seiner Vorgänger im besten Einklang. Wir
sahen, daß Mommsens Behauptung, als sei für ihn vom ersten Tage
seines Kommandos an der Krieg gegen Rom beschlossene Sache
gewesen, mit den von Polybios mitgeteilten Tatsachen in einem
unversöhnlichen Gegensatz steht. Sein Blick war auf Spanien
und nur auf Spanien gerichtet. Niemand kann ihm vorwerfen,
daß er sich nicht i'm Rahmen des von seinem Vorgänger geschlosse-
1 So schon Meltzer, dann vor allem Kromayer.