Metadaten

Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0037
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. 37
nen Abkommens gehalten habe. Aber je loyaler seine Haltung
war, je mehr auch er den guten Willen bekundete, mit den Gegnern
seines Vaters in Frieden auszukommen, umso befremdlicher mußte
für ihn das Erscheinen der ersten römischen Gesandtschaft im
Herbst 220 sein. Ihre Forderungen waren noch nicht in die Form
eines Ultimatums gekleidet. Gewiß nicht. Aber indem Rom dem
Feldherrn, der noch mehr als 100 km von der Grenze entfernt stand,
die Mahnung zukommen ließ, sich keine Grenzverletzung zuschul-
den kommen zu lassen und sich jeden Angriffs auf Sagunt zu ent-
halten, das — obwohl innerhalb der karthagischen Einflußzone
gelegen -— bisher in keiner Weise in seinen Rechten gekränkt war,
bewies es eine Gesinnung, die auf der Gegenseite Beunruhigung
hervorrufen mußte. Diese Gesandtschaft war von einem gefähr-
lichen Geist des Mißtrauens beseelt. Es konnte nicht anders sein,
als daß durch sie dem Feldherrn Hannibal wie der karthagischen
Regierung die Augen dafür geöffnet wurden, daß Rom seine neuen
Interessen im Westen mit einer Energie anmeldete, die keinen
Zweifel über die Festigkeit des politischen Willens Raum zu
lassen schien. Karthago war dadurch vor eine schicksalsschwere
Entscheidung gestellt, vor die Frage, wie es sich angesichts der
nun entstandenen Eage zu der römischen Bundesgenossin Sagunt
stellen sollte. Mochte die Stadt an sich unbedeutend sein, der
Rückhalt, den sie an Rom fand, machte sie zu einer Gefahr für die
Ruhe und Ordnung im Kolonialreich. Sie konnte den iberischen
Untertanen der Semiten Schwierigkeiten bereiten; sie konnte aber
auch, was größere Schwierigkeiten für die Zukunft in sich schloß,
ein Stützpunkt der römischen Macht werden. In jedem Falle
war das römisch gesinnte Sagunt ein Fremdkörper im Reiche
der Barkiden1, dessen Beseitigung das Staatsinteresse notwendig
machte. Die Frage, die es 220 im karthagischen Senat zu entschei-
den galt, war, ob man den Erfordernissen des eigenen Staates
böige leisten oder vor der römischen Forderung — um nicht zu
sagen Drohung —- zurückweichen wolle. Die Lage zeigt eine unver-
kennbare Ähnlichkeit mit der des Jahres 238. Damals hatte Kar-
thago infolge der an Verzweiflung grenzenden Erschöpfung seiner
Bürger angesichts der römischen Kriegsdrohung kapituliert. Das
Karthago von 220 war innerlich ein anderes als das von 238. Es
war zu neuem Leben erwacht. Das war die tiefgehende Umwand-
lung, die die Menschen des Heimatlandes unter dem Einfluß der

1 Kromayer 261: „ein Pfahl im Fleisch“.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften