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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0039
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Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.

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a maioribus traditus mos Romanis colendi socios1. Deshalb mußte
die Friedenspartei unterliegen. So kam das Ende. Es wurde jene
Gesandtschaft an Karthago beschlossen, deren Auftrag im Grund
genommen schon die Kriegserklärung in sich schloß. Denn das
mußte jedem ernsthaften Politiker in Rom klar sein, daß die Er-
füllung der Forderung auf Auslieferung des Feldherrn und s°iner
Berater unmöglich war, weil sie mit der Ehre eines unabhängigen
Staates unvereinbar war. Die Vertreter einer rücksichtslosen
Politik im Westen hatten gesiegt.
Wenn wir den letzten Akt des diplomatischen Geschehens
auf dem Boden Karthagos ins Auge fassen, so müssen wir sicherlich
den Römern zugeben, daß ihr juristischer Anspruch unanfechtbar
war, da die gegnerische Seite es versäumt hätte, sogleich bei der
ersten Verhandlung die Gültigkeit des Hasdrubalvertrages zu be-
streiten. Jetzt konnten auch die geschicktesten Advokatenkniffe
nicht mehr darüber hinweghelfen, daß der Angriff auf Sagunt
eine Verletzung der Verträge in sich schloß. Die perfidissima
Karthago war entlarvt.
Vor dem Gericht hat Karthago den Prozeß verloren. Aber
moralisch steht es ohne Makel da. Wir Spätgeborenen können
in dem Menschenalter, das seit dem ersten Siege Roms vergangen
war, die langsame Umwandlung der römischen Geisteshaltung
feststellen. Die Annexion von Sardinien und Korsika war das
erste Zeichen, daß neue Kräfte im Staate lebendig waren. Aber
Rom bleibt damit noch in dem Raum, der ihm 241 als Herrschafts-
bereich zugefallen war. Ungleich bedeutsamer für die Zukunft
war, daß es im Illyrischen Konflikt über die Adria hinausgreift
und an der Küste Albaniens Fuß faßt. Es ist kein Zufall, sondern
der Beweis einer inneren Umstellung, daß fast zur gleichen Zeit
Rom auch im Westen überseeische Politik zu treiben beginnt.
Es ist hinausgewachsen über die natürlichen Grenzen: aus dem
ersten Staat Italiens ist eine Mittelmeermacht geworden. Man
würde ein zu grobes Wort anwenden, wenn man von bewußter
Eroberungslust sprechen wollte. Imperialistische Bestrebungen
sind noch kein wirksamer Faktor der Politik. Aber ein starker Be-
tätigungsdrang gehört nun einmal zum Wesen des römischen
Staates, und in der antiken Welt ist es noch immer ein Zeichen
innerer Kraft und Gesundheit gewesen, den Nachbarn dem eigenen

1 Tjiv. 26, 24 3.
 
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